Der italienische Geliebte (German Edition)
er. »In irgendeiner Schlacht.« Sie hatte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.
Zum Essen kamen noch ein anderes Paar und zwei Frauen. »Simones Lesbenfreundinnen«, raunte Harrison Rebecca nicht besonders leise zu, bevor sie mit ihnen bekannt gemacht wurde. Bei einem köstlichen Lammragout, das im Esszimmer mit Blick auf einen idyllischen, halb verwilderten Garten serviert wurde, wandte sich das Gespräch bald der Politik zu: Der vor einiger Zeit erfolgte, widerstandslose Anschluss Österreichs an Nazideutschland und die zunehmenden Spannungen infolge deutscher Ansprüche auf einen Teil der Tschechoslowakei, das Sudetenland, wurden ausgiebig und mit Besorgnis diskutiert. Rebecca war durchaus auf dem Laufenden – die Entwicklungen auf dem Kontinent waren auch in der Alten Mühle oft genug analysiert und kommentiert worden, und sie stand ganz und gar aufseiten der Juden, denen alles genommen wurde –, aber es war, als hätte sich zwischen ihr und den anderen eine Mauer aufgetürmt, eine Mauer, die nur sie sehen konnte. Sie zwang sich, ab und zu eine Bemerkung einzuwerfen, um die anderen nicht zu befremden, und trank mehrere Gläser Wein, weil sie hoffte, das würde sie aufmuntern. Aber das Gefühl, nicht dazuzugehören, war unüberwindbar. Ihr war, als hätte ein kindlich grausamer Gott sie gepackt und aus reiner Willkür hier, unter diesen Fremden, wieder abgesetzt.
Nach dem Essen, das mit einer Zitronencreme abgerundet wurde, bat Simone sie, ihr mit dem Kaffee zu helfen. In der Küche war es noch unordentlicher als in den übrigen Räumen, das Spülbecken randvoll mit schmutzigem Geschirr, dazu Fotos, Notizzettel und zerknitterte, aus Zeitschriften herausgerissene Kochrezepte in planlosem Unter- und Übereinander an einem Merkbrett.
Simone sah sich mit komischer Verzweiflung um. »Ich koche leidenschaftlich gern, aber das Abspülen und Aufräumen hinterher hasse ich.«
»Kann ich helfen?«
»Kommt nicht infrage. Ich habe Sie nicht eingeladen, damit Sie dann am Spültisch stehen.«
»Ich bin mir gar nicht sicher, ob Sie mich überhaupt eingeladen haben, Mrs. Campbell. Ich habe den Verdacht, dass Harrison mich Ihnen einfach aufgedrängt hat. Ich würde wirklich gern helfen. Ich werde gern gebraucht.« Genau das war es, dachte Rebecca: Niemand brauchte sie jetzt mehr, und wenn sie plötzlich in einer Rauchwolke aufginge, wen würde es schon interessieren?
Sie wandte sich ab und kämpfte gegen Tränen des Selbstmitleids. Ihr Blick wanderte über das Merkbrett. Auf den Notizzetteln waren Dinge wie ›Dorothy anrufen‹ – ›Plätzchen für Buchklub‹ – ›Setzlinge eintopfen‹ vermerkt.
»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte Simone. »Sie sind ein Schmuck für meine Tafel, Mrs. Rycroft. Ich bin immer so beeindruckt von Frauen, die es schaffen, Schuhe und Handtasche aufeinander abzustimmen.«
Sie war über die Tränen hinweg. »Ach, das ist doch nichts besonderes. Das kann jeder.«
»Nein, das stimmt nicht. Attraktiv und elegant auszusehen, kostet sehr viel Anstrengung. Wenn ich in ein Kleidergeschäft gehe, nehme ich den erstbesten Fummel, in den ich hineinpasse, weil ich das Ganze so strapaziös finde. Meine Tochter schimpft mich jedes Mal aus.« Simone ließ Wasser in den Kessel laufen und stellte ihn auf den Herd. »Darf ich fragen – sind Sie verwitwet?«
»Getrennt.«
»Oh, das ist sicher sehr schwer. Die Leute glauben immer, es wäre schlimmer, verwitwet zu sein, aber ich stelle mir vor, es ist besonders quälend zu wissen, dass man selbst oder der andere sich dafür entschieden hat, die Ehe zu beenden, oder dass die Liebe einfach erloschen ist.« Simone lächelte. »Verzeihen Sie meine Neugier. Mögen Sie Gartenarbeit?«
»Sehr.« Rebecca hatte plötzlich heftige Sehnsucht nach dem Garten der Alten Mühle. Jetzt färbten sich gerade die Blätter – sie konnte den Rauch verbrennenden Reisigs und Laubs beinahe riechen.
»Darf ich Ihnen meinen Garten zeigen?«
»Gern.«
Sie gingen nach draußen. Es war Mitte September, das Abendlicht schwand langsam. Simone Campbell hatte in ihrem Garten mit wohldurchdachter Anordnung von Baumgruppen, Spalieren und kleinen Wegen eine Atmosphäre von Stille und Geheimnis geschaffen. Sie unterhielten sich über Pflanzenrückschnitt und die Behandlung von Mehltau, bis Mrs. Campbell seufzend sagte: »Ich glaube, wir sollten jetzt wieder hineingehen. Meine Gäste lechzen wahrscheinlich nach
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