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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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nicht hoffen.«  
    Er neckte sie gern mit ihrer Ausdrucksweise – »kultiviert« – und ihrer Herkunft – »gutbürgerlich bis in die Knochen«. Sein Großvater war Bergmann gewesen: Gelegentliche Bemerkungen ließen auf eine harte Kindheit und harte Kämpfe schließen. Manchmal begleitete sie ihn in Nachtlokale und Pubs, wo er Klavier spielte. Er hatte Musiker werden wollen, erzählte er, aber er hatte Pech gehabt – eine schwere Bronchitis, als er gerade beim Rundfunk angekommen war, und später hatte ein neidischer Kollege ihn mit faulen Tricks aus einem Vertrag mit einer Swing Band gedrängt.  
    Er tat ihr leid; sie hatte Erfahrung mit zerstörten Hoffnungen und verpassten Gelegenheiten. Sie fand es angenehm, dass er keine Forderungen stellte, und war, inzwischen an seine Neckereien gewöhnt, gern mit ihm zusammen. Ihr gefielen die etwas träge, katzenhafte Art, wie er sich bewegte, und seine eleganten Hände, und sie mochte sein Lächeln, bei dem der kleine Mund sich leicht vorschob und die hellen Augen sich schmal zusammenzogen. Er war nie unbeherrscht, wurde niemals laut. An den Wochenenden machten sie Auflüge in ihrem Auto, nach Box Hill oder Whitstable. Ihr fiel auf, dass er bei all seiner bekundeten Vorliebe für das Land, nicht gern wanderte – ein kurzer Bummel, dann ging es zum nächsten Pub. Er stellte keine neugierigen Fragen über ihr früheres Leben, sie fand das feinfühlig von ihm und erleichternd für sich.  
    Er versuchte, ihr Gesangsunterricht zu geben – wie man atmete, phrasierte, einen Ton bildete. Er sagte, sie habe eine sehr schöne, rauchige Stimme, es sei schade, dass sie manchmal die Töne nicht richtig treffe. Typisch für mich, dachte sie: ein paar begrenzte natürliche Begabungen, und aus denen kann ich nicht einmal etwas machen. Sie sang ›Brother Can You Spare a Dime‹ in einem Pub in Fitzrovia, während er die Melodie auf dem Klavier hämmerte, um ihr zu helfen, den Ton zu halten. Die Leute klatschten, sie war wie auf Wolken, und später an diesem Abend küssten sie sich zum ersten Mal.  
    Dann musste er wieder weg, diesmal für zwei Wochen. Er schrieb nicht, und er rief nicht an. Reg dich nicht auf, sagte sie sich, mit deiner besitzergreifenden Art hast du schon deine Ehe zerstört.  
    Im August kam Meriel für einen Tag nach London, und sie gingen zusammen essen. Meriel erzählte dies und das – von ihrem Urlaub in Schottland, wo sie mit einer Freundin gezeltet hatte, von Dr. Hughes, der nach zwei Wochen im Westen nach Oxfordshire zurückgekehrt war. Deborah war zu dem Schluss gekommen, dass sie doch nicht in Cornwall leben wollte, was ein wahrer Segen sei. Mama gehe es gut, bemerkte Meriel nebenbei, und Rebecca versprach mit schlechtem Gewissen, ihre Mutter bald einmal zu besuchen. Sie schrieb ihr regelmäßig, hatte sie aber seit ihrer Trennung von Milo weder angerufen noch besucht.  
    »Lass nur«, sagte Meriel, »ich komme schon mit Mama zurecht.«  
    »Ich weiß, aber was für eine Last für dich, nur weil ich so feige bin.«  
    »Du siehst schlecht aus«, sagte Meriel unverblümt. »Du bist so dünn geworden. Geht es dir wirklich gut?«  
    Rebecca versicherte ihr, es sei alles in bester Ordnung. Sie versprach, Meriel bald einmal zu besuchen, dann trennten sie sich. Meriel nahm die U-Bahn zum Bahnhof Paddington und Rebecca fuhr ins Hotel zurück.  
    Eines Tages war Harrison wieder da. Sie sahen sich ein Theaterstück an und gingen später, angeregt von einer Flasche Wein und heiterer Musik, miteinander ins Bett. Harrisons Umarmung war wie seine Küsse: zögernd tastend und ein klein wenig halbherzig. Ein Frühlingshauch, sagte sie sich, statt der Stürme, die sie von Milo kannte. Sie war froh zu entdecken, dass sie noch etwas fühlte und nicht innerlich ganz tot war.  
    Sie waren zum Abendessen bei einer Freundin von Harrison eingeladen, einer Mrs. Simone Campbell, die in einem Chaos von Bücherstapeln, herumliegenden Kleidungsstücken und mit Möbeln vollgestopften Zimmern in einem roten Backsteinhaus in Stoke Newington lebte. Sie war eine Frau um die fünfzig, kleiner als Rebecca, mit einem runden, sympathischen Gesicht und lockigem grau-braunem Haar. Ihr Busen und ihre Hüften, zwischen denen sich einige Röllchen zeigten, waren selbst halb verborgen unter einem pflaumenfarbigen geblümten Kleid mit loser Jacke beeindruckend.  
    Harrison hatte Rebecca auf der Fahrt erzählt, dass Simone Witwe war. »Ihr Mann ist im Krieg gefallen«, erklärte

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