Der italienische Geliebte (German Edition)
sie mehrmals anhielten, weil Harrison eine Verschnaufpause brauchte, erreichten sie die Höhe des Hügels. Der Gipfel war abgeplattet, wie mit einem Messer abgeschnitten. Trampelpfade wanden sich zwischen Büscheln dunkelgrüner spitzer Gräser hindurch.
Rebecca sah das einsame Haus mitten im Moorland zuerst. »Das muss es sein«, sagte sie.
Sie gingen durch die Heide. Das Haus war klein, doch seine kantige, steinerne Kompaktheit verlieh ihm eine stolze Würde. Rebecca stellte ihren Koffer auf der Stufe vor der Haustür ab. Während sie auf Harrison wartete, der den Schlüssel hatte, sah sie zu dem phantasievollen Wappenschild hinauf, das in Granit gemeißelt über der Tür prunkte.
Harrison sperrte auf, und sie traten ins Haus. Als er seinen Rucksack mit einem Seufzer der Erleichterung auf einen großen rechteckigen Tisch fallen ließ, stieg eine Staubwolke in die Luft.
Sie befanden sich in einer dunklen Küche, in der es muffig roch. »Ziemlich duster«, sagte Harrison.
Rebecca zog die Vorhänge auf und plagte sich mit einem Fensterriegel ab. »So, das ist doch gleich besser.«
Sonnenlicht fiel auf die Steinfliesen des Bodens. Mehrere Stühle, die offensichtlich nicht zusammengehörten, waren um den Tisch gruppiert, und neben einem schwarzen Eisenherd stand ein hölzerner Schaukelstuhl. An der Wand gegenüber war ein Klavier. Der Spülstein befand sich unter dem Fenster gleich neben einem Küchenbüfett. Elektrisches Licht gab es nicht, wie Rebecca feststellte, und die Glaszylinder der Öllampen waren von Staub überzogen.
Harrison klappte den Klavierdeckel hoch und klimperte ein paar Takte. »Es ist verstimmt.«
»Wollen wir uns mal umsehen?«
Er jammerte etwas von seinen Füßen, aber sie beachtete ihn nicht und ging nach oben. In der Wohnstube zog sie die Vorhänge auf und öffnete die Fenster. Die Möbel waren alt und verstaubt, der kleine Teppich vor dem offenen Kamin fast schwarz vom Kohlenstaub. Die nächste steinerne Treppe führte zum obersten Stockwerk des Hauses. Rebecca beugte sich zum Fenster hinaus. Moor und Hügel lagen in funkelndem Licht, und der Himmel war kristallklar. Sie atmete tief die kühle, würzige Luft, und zum ersten Mal seit Monaten fiel etwas von ihr ab, das ihr wie eine Last auf der Seele gelegen hatte.
»Was gibt’s zum Mittagessen?«, rief sie zu Harrison hinunter, der sich erboten hatte, für das Essen zu sorgen.
»Hast du Pflaster mit, Rebecca? Meine Füße sind voller Blasen.«
Als sie wieder in die Küche kam, saß er mit nackten Füßen im Schaukelstuhl. Sie machte ihren Koffer auf und suchte Pflaster, Watte und Jod heraus.
Er zuckte zusammen, als sie die Blasen abtupfte. »Stell dich nicht an«, sagte sie. »Wo ist das Essen?«
»In der Harrod’s-Tüte. Ich habe uns ein paar Leckerbissen besorgt.«
In der Tragetüte waren Kräcker, Artischocken im Glas, Oliven, Sardinen, ein Glas Pfirsiche, eine Tafel Cadbury-Schokolade, zwei Flaschen Wein und eine halbe Flasche Whisky. Und Tee, Zucker, Milch, Brot, wo sind die?, dachte Rebecca, sagte aber nur: »Mal sehen, ob ich draußen ein gemütliches Plätzchen zum Essen finde. Hier drinnen muss erst mal gründlich sauber gemacht werden, außerdem wäre es schade, diese herrliche Sonne nicht auszunützen.«
In dem von einer Trockenmauer umschlossenen Garten rund um das Haus standen Johannisbeerbüsche und ein Apfelbaum mit windverkrüppelten Ästen. An einer geschützten Stelle zog sich eine Kletterrose mit einzelnen späten Blüten die Mauer entlang.
Eine Tischdecke fand Rebecca nicht, also breitete sie die Geschirrtücher, die sie vorsorglich gekauft hatte, im Gras aus. Nach dem Essen streckte sich Harrison mit geschlossenen Augen auf der Wiese aus. Greg hatte ihm gesagt, sie könnten das Cottage für drei Wochen haben. Er glaubte nicht, dass Greg häufig hierherkam; vielleicht sollten sie ihn fragen, ob sie es für ein Jahr mieten könnten. Aus dem Anwesen ließe sich doch etwas machen, sie könnten Gemüse anbauen, ein Schwein halten.
Dann schlief er ein, und Rebecca ging ins Haus, um die Küche sauber zu machen und eine Einkaufsliste zu schreiben. Welch ein Genuss, wieder in der eigenen Küche hantieren zu können. Sie hatte das Hotelleben so satt. Das war der einzige Grund für ihr Stimmungstief: das Hotel und London. Auf einen Zettel schrieb sie, Milch, Tee, Kohlen . Und sie musste auf jeden Fall eine Taschenlampe besorgen, damit sie nachts nicht bei
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