Der Jadereiter
Sie sich denken können, möchte er nicht mit der Öffentlichkeit in Berührung kommen. Ich mußte eine Menge Geräte von der Klinik hierherbringen. Und jetzt will er Sie sehen. Ein solcher Eingriff kann drastische Persönlichkeitsveränderungen zur Folge haben. Er hält Sie für den einzigen Menschen, der ihn möglicherweise versteht. Sind Sie gut mit ihm befreundet?«
Dr. Surichais forscher Tonfall ärgert mich, weshalb ich mir nicht die Mühe mache, seine Frage zu beantworten.
»Er hat sich mit Fatima geeinigt?«
»Seine Freunde, die Chiu Chow, die einfach in mein Haus eingedrungen sind. Sie haben keine Vorstellung, wie mittelalterlich der chinesische Geist denken kann. Das ist kein modernes Volk. In den Augen dieser Leute gibt es eine sehr einfache Lösung für das Sexproblem Ihres Freundes Warren, die ich persönlich für ziemlich radikal halte. Fatima hat sie in die Zwickmühle gebracht. Wenn sie es zuließen, daß sie ihn tötet, würde das suggerieren, daß sie nicht die Macht hatten, den Mann zu schützen. Und wenn nicht, würde sie das Tape ins Internet stellen, die Khmer auf ihn hetzen und ihn so ruinieren. Dies ist nun der Kompromiß, dem auch Warren zugestimmt hat, wie Sie an seiner Unterschrift auf diesem Dokument sehen. Er hatte keine andere Wahl – wenn er sich geweigert hätte, wäre er gestorben. Fatima hat sich einverstanden erklärt, nachdem er ihr mehr als die Hälfte seines Vermögens überschrieben hatte. Vermutlich ist sie jetzt die wohlhabendste Frau Thailands und vielleicht die reichste Transsexuelle der Welt. Kommen Sie mit. Ich habe die Operation gestern vorgenommen. Er ist noch ziemlich schwach, aber wie gesagt: Am schlimmsten wirkt sich die Persönlichkeitsveränderung aus. Ich fürchte, er ist psychisch sehr labil. Sie werden es selbst sehen.« Schweigen. »Er hat unmittelbar nach der Operation einen Schock erlitten. Wenn ich ihn nicht mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt hätte, wäre er gestorben. Trotzdem haben alle lebenswichtigen Funktionen einige Minuten lang ausgesetzt.« Er mustert mein Gesicht, scheint so etwas wie Verständnis darin entdecken zu wollen, doch ich habe keine Ahnung, worauf er anspielt.
Wir gehen einen für ein Privathaus erstaunlich breiten Flur entlang, an dessen Wänden sich echte Ölgemälde von Krung Thep im neunzehnten Jahrhundert befinden. Nach einer Weile betreten wir einen Wintergartenanbau aus Stahl und Glas. Der Blick hinaus wird fast völlig durch von Wand zu Wand reichende Vorhänge verdeckt. Der Kopf, der auf dem Kissen ruht, ist kaum zu erkennen, nicht, weil sich die Gesichtszüge so sehr verändert hätten, sondern weil die Persönlichkeit dieses Menschen praktisch keine Ähnlichkeit mehr mit seiner früheren hat. Für einen Schüler des Pfades wie mich ist die Verwandlung faszinierend: Diese Person hat einen Körper sowie eine Sammlung von Erinnerungszellen geerbt, mit denen sie nicht vertraut ist und auf die sie sich jetzt einen Reim machen muß. Eine schwächere Psyche hätte einen Nervenzusammenbruch erlitten, diese hier hat sich entschlossen, einfach verrückt zu spielen.
Er bedeutet mir mit einer matten Geste, mich auf einen Stuhl neben dem Bett zu setzen. »Willkommen, mein Freund«, begrüßt er mich auf thai. Ich zucke zusammen; das war Pichais Stimme. Das Gesicht lächelt. Auf englisch sagt er: »Keine Sorge, ich bin noch in der Dämmerzone. Ihr Freund sagt hallo. Er ist wirklich sehr begabt. Ist die Realität nicht wunderbar?«
Plötzlich bricht er in Tränen aus. » Ein Narr liegt hier, der versuchte, den Osten zum Narren zu halten … wissen Sie, wer das gesagt hat, Detective?«
»Nein.«
»Kipling – ein Dichter des angelsächsischen Imperiums. Gott schütze uns vor unserer Blindheit.« Er weint. »Gott schütze uns.« Er streckt die Hand aus, um die meine zu ergreifen. »Sehen Sie sich mein Leben an.« Eine Geste. Bisher waren mir die Schätze nicht aufgefallen, die ästhetisch ansprechend in dem Raum arrangiert sind. Der Jadereiter steht auf einem Alabastersockel. Dazu kommen einige andere wertvolle Stücke aus der Warren-Sammlung, darunter auch die Jadehalskette aus der Verbotenen Stadt. Überall schimmert es grün. Warren – falls ich ihn immer noch so nennen kann – drückt auf einen Knopf zu seiner Rechten; ein Motor beginnt zu brummen. Majestätisch langsam öffnet sich der Vorhang und gibt den Blick auf einen atemberaubend schönen Garten mit Hibiskussträuchern, Bougainvilleen, Rhododendren sowie einem prächtigen
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