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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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anderer amerikanischer Bürger in Südostasien gefährdet wäre.
    »Wir nehmen die Sache sehr ernst«, sage ich, ganz langsam, für den Fall, daß irgend jemand mich später zitieren will.
    Die Stellvertreterin bedenkt mich mit einem überraschend hübschen Lächeln. »Ich bin erleichtert, das zu hören«, sagt sie, ebenfalls langsam.
    »Mit großer Befriedigung stellen wir fest, daß der Fall keinen terroristischen Hintergrund hat.«
    Nape verzieht fast das Gesicht spöttisch, und Rosen ist offen schockiert darüber, daß ein Nichtamerikaner das Spiel beherrscht. »Das kann ich bestätigen«, sagt er und sieht die Stellvertreterin mit einem aufrichtigen Blick an.
    Theoretisch könnten wir das Treffen nun beenden, doch es ist ein bißchen kurz geraten und schreit förmlich nach einer Verlängerung. Außerdem habe ich plötzlich Lust, mein Können zu demonstrieren. Mein letzter derartiger Auftritt ist schon eine Weile her, aber so etwas verlernt man nicht.
    »Thailand ist ein buddhistisches Land, das die Menschenrechte und die Würde all seiner Bürger achtet, aber die wohlhabenderen Nationen der Welt sollten begreifen, daß uns nicht immer die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, um in der Polizeiarbeit den hohen Maßstäben zu genügen, die sich nur jene Länder leisten können, welche den Prozeß der Industrialisierung als erste durchlaufen haben.«
    Die Stellvertreterin blinzelt heftig, es dauert eine Weile, bis sie begreift, was ich tue. »Darf ich das zitieren?«
    »Aber natürlich.«
    Ein Nicken in Richtung Rosen, der wiederum Nape zunickt, der seinerseits einen Kugelschreiber aus der Tasche holt.
    Jetzt ist das Gespräch zu Ende; alle wirken höchst erfreut darüber, daß der Vertreter der örtlichen Polizei die hohe Kunst der Absicherung so gut beherrscht. Nape besteht darauf, mich nach Thailand zurückzubegleiten. Am Tor sagt er: »Diese katoy hat ihn, stimmt’s? Glauben Sie, es ist noch was von ihm übrig, wenn sie mit ihm fertig ist? Ein Daumen vielleicht oder zwei Kniescheiben?«
    Ich sehe ihn lange an, bevor ich ein Motorradtaxi herbeiwinke.
    Zu Hause in meinem Wohnloch rolle ich mir einen Joint. Die Digitalanzeige meines Handys sagt mir, daß es zwölf Uhr sechsundfünfzig ist.

51
    Warten ist nur für den schwierig, der der Illusion der Zeit erliegt. Drogen helfen natürlich. Wochen sind vergangen; Kimberley hat mich dreimal aus den Staaten angerufen, immer an einem Sonntag. Die Einsamkeit der farangs ist eine auszehrende Krankheit, für die – das wird die FBI-Frau früher oder später merken – Thailand möglicherweise das einzige Heilmittel darstellt. Das Gefühl, irgendwie in die Fußstapfen meiner Mutter zu treten, beunruhigt mich, aber ich lasse mich nicht davon unterkriegen. Es gibt genug zu tun. Nongs Bar hat inoffiziell bereits eröffnet und geht erstaunlich gut. Zahlen müssen geprüft, Führungsgespräche abgehalten und Lagerbestände aufgefüllt werden. Dann kommt der Anruf.
    Dr. Surichai klingt am Telefon angespannt und förmlich; vermutlich ist dies die Stimme, die er bei Bilanzdiskussionen mit der Klinikleitung benutzt. Er sagt nicht viel; ich habe den Eindruck, es wäre ihm lieber, wenn er mich überhaupt nicht anrufen müßte. Auf Bitte seines Patienten lädt er mich in sein Haus an der Soi 30 an der Sukhumvit Road ein, nicht weit vom Emporium-Einkaufszentrum entfernt.
    Es handelt sich um ein richtiges Herrenhaus mit elektrischem Tor und uniformierten Wachposten. Zusätzlich zu den Security-Leuten des Arztes wartet etwa ein halbes Dutzend gutgekleideter Chinesen mit wachsam-mürrischem Gesicht davor. Als ich eintreffe, bellt einer von ihnen etwas in einer Sprache, die ich für den Chiu-Chow-Dialekt halte, vermutlich, daß sie nicht nach den Waffen unter ihren Jacken greifen sollen. Eine Bedienstete führt mich ins Haus und in einen großen Salon, wo ich mich auf ein Sofa setze und warte. Nach einer Weile betritt Dr. Surichai den Raum mit einer kanariengelben ärmellosen Strickjacke, einer Hose und einem leichten Stirnrunzeln. In der Hand hält er ein Blatt Papier mit einer in Thai verfaßten Erklärung, unter der sich eine elegante westliche Unterschrift befindet. Ich lese den Text sorgfältig und gebe ihm das Papier alles andere als überrascht mit einem Nicken zurück. Offenbar haben die gegnerischen Parteien sich auf eine jener asiatischen Lösungen geeinigt, die im einfallslosen Westen undenkbar wären.
    »Man hat mich gebeten, ihn als Patienten in mein Haus aufzunehmen. Wie

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