Der Jadereiter
Fernseher und die Stereoanlage. Daran ist niemand schuld; kurz nach seiner Entscheidung, sich ordinieren zu lassen, hörte er auf, die Tür zu verschließen, mit der Begründung, daß jeder, der so verzweifelt sei, ihm etwas stehlen zu wollen, gern mitnehmen könne, was er zu tragen imstande sei. Monatelang entwendete niemand etwas, doch nach seinem Tod wurden seine Besitztümer vermutlich als Gemeineigentum betrachtet. Traurig kehre ich in mein eigenes Zimmer zurück. In meiner Abwesenheit hat jemand ein Stück Toilettenpapier unter der Tür durchgeschoben. Es ist grau vor Schmutz und so klein gefaltet, daß es mir schwerfällt, es glattzustreichen. Als es mir schließlich gelingt, finde ich darauf einen kurzen Satz auf englisch: Muß Dich sehen. Fritz. Ich weiß, daß ich den Zettel vernichten muß, was ich tue, indem ich ihn in das Toilettenloch in der einen Ecke meines Zimmers werfe.
Als Pichai noch am Leben war, habe ich weder die Enge noch die Schäbigkeit meines Zimmers wahrgenommen. Der Kontakt mit den farangs hat mir in dieser Hinsicht nicht geholfen. Selbst die ärmsten von ihnen haben Unterkünfte mit Fenstern. Wird ein Wunder der modernen Technik mir in meiner Stunde der Not helfen? Ich hole das Motorola von Rosen aus der Tasche und beschließe, den Klingelton zu ändern. Während ich mich durch die Bedienungsanleitung arbeite, stelle ich fest, daß ich eine Auswahl von fünfzehn Tönen habe, darunter die Nationalhymne von Amerika, aber die keines anderen Landes. Die Star-Wars-Melodie ist die einzige attraktive Alternative, doch ich zögere, Rosen nachzuäffen. Wütend merke ich, daß Motorola mich in ein Labyrinth voll angeblicher Optionen gelockt hat, das in einer Sackgasse endet. Ich habe das perfekte Paradigma der westlichen Kultur entdeckt, aber ohne Pichai, dem ich davon erzählen könnte. Egal, was soll der ganze Scheiß überhaupt? Ich kehre zur Grundeinstellung, einem vollkommen akzeptablen Piep, zurück. Die Übung hat mein Wohlbefinden nicht erhöht.
Ich bin immer noch in rührseliger Stimmung und betrachte Pichais Buddhakette, die ich zwischen den Händen hin und her gleiten lasse wie Sand, als es an der Tür klopft. Ich bekomme nie Besuch, also ist dieses Klopfen mit Sicherheit eine Botschaft von Pichai, ein Beweis dafür, daß er von der anderen Seite aus über mich wacht. Mit wenigen großen Schritten durchquere ich das Zimmer und ziehe den Riegel zurück.
Die FBI-Frau hat eine Metamorphose hinter sich. Kimberley Jones trägt ein T-Shirt mit der riesigen Aufschrift SO VIELE MÄNNER, SO WENIG ZEIT, eine abgeschnittene Jeans, die knapp unterhalb des Schrittes endet, Sandalen mit Klettverschluß sowie glänzenden Lippenstift. Die Haare hat sie karottenrot gefärbt und jungenhaft kurz geschnitten. Sie begrüßt mich mit einem Lächeln, das ich bei ihr noch nie zuvor gesehen habe. Ich gebe mir keine Mühe, mein Erstaunen zu verbergen.
»Hi. Störe ich Sie?«
»Woher wissen Sie, wo ich wohne?«
»Ich hab Ihre Adresse aus dem Computer. Dies ist offenbar nicht der richtige Zeitpunkt …«
»Ich meine, wie haben Sie diese Wohnanlage gefunden?«
»Ach so. Ich habe einen Wagen mit Fahrer gemietet. Das ist hier wahnsinnig billig. Außerdem trägt die Kosten sowieso das FBI. Es gehört zu meinen Aufgaben, auf Sie aufzupassen, aber ich gehe wieder, wenn ich störe.«
Sie sieht über meine Schulter. Ich trete einen Schritt zur Seite. »Kommen Sie rein.«
Sie folgt meiner Einladung. »Das ist …«
»Hier wohne ich.«
Es fällt mir nicht schwer, das Zimmer mit ihren Augen zu sehen. Es ist fensterlos, drei mal zwei Meter fünfzig groß und hat so etwas wie einen Verschlag am einen Ende, um das Loch im Boden zu verdecken. Luft kommt aus einem schwarzen Loch in der hinteren Wand, das mit dem Schacht für alle anderen Zimmer verbunden ist. An windigen Tagen weiß ich genau, was meine Nachbarn zu Mittag essen. An der einen Wand hängt ein Bild des Königs, daneben, wo jeder normale Mensch einen Fernseher aufgestellt hätte, befindet sich ein schmales Bücherregal. Die Bücher sind alle in Thai-Schrift, also erkläre ich Kimberley Jones, die sie zu entziffern versucht: »Buddhismus. Ich bin ein buddhistischer Bücherwurm.«
Das einzige andere Möbelstück ist ein Futon auf dem Boden. Kimberley Jones ist verblüfft. Ich rechne es ihr hoch an, daß sie das nicht zu verbergen versucht. »Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll, Sonchai. Ich habe noch nie so etwas gesehen … ich meine …«
»Sie
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