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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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allem sind es vielleicht dreihundert, die kleinsten etwa fünfzehn Zentimeter groß, der größte fast drei Meter. Halbkreisförmig um das Geisterhaus angeordnet, bilden sie so etwas wie einen niedrigen Zaun um die Blumenbeete. Sie sind parabolisch geformt, mit knolligen Hoden sowie einem winzigen Schlitz an der Spitze. Manche von ihnen ruhen auf Lafetten, so daß die Eier herunterhängen. Einige bestehen aus Stein, mindestens drei aus Beton, die meisten anderen aus Holz. Manche sind leuchtend rot und grün bemalt. Links von ihnen befindet sich ein riesiger Feigenbaum, dessen Luftwurzeln sich in leidenschaftlicher Umarmung umschlingen.
    »Das Geisterhaus ist dem Geist des Baumes geweiht, und der ist männlich.«
    »Thailand ist doch ein buddhistisches Land, oder?«
    »Buddhistisch mit starken hinduistischen und animistischen Einflüssen.«
    »Es überrascht mich, daß das Management des Hilton so etwas duldet.«
    »Es ist ihm wohl keine andere Wahl geblieben. Wichtige Schreine zerstört man nicht, das bringt Unglück. Und niemand will Unglück, am allerwenigsten das Management eines internationalen Unternehmens.«
    »Wer hat die ganzen Schwänze hierhergebracht, und wer schmückt sie mit frischen Ringelblumen?«
    »Frauen aus der Gegend.«
    Die FBI-Frau tritt näher an eine der Skulpturen heran, um sie zu betrachten. »Frauen bringen riesige Dildos, die dem männlichen Geist des Feigenbaums geweiht sind? Hmm, darüber muß ich nachdenken.« Sie streckt einen Finger aus und läßt ihn über Hoden und Penis gleiten. Dann wendet sie sich mir mit einem kleinen Lächeln zu. Ich habe den Eindruck, daß die Wirkung ihres Antiflirtkurses allmählich nachläßt. Ich beschließe, ihr Lächeln nicht zu erwidern, und erschrecke über den zornigen Ausdruck, den ihr Gesicht annimmt. Doch sie hat sich rasch wieder im Griff, und wir marschieren schnellen Schrittes zurück in Richtung Lobby und Café. Ich denke gerade an die Heckler & Koch, als sie mich anherrscht: »Morgen ist ein Treffen in der Botschaft; Bradleys Vorgesetzter wird uns erzählen, was er weiß, falls er etwas weiß. Im Interesse des Informationsaustauschs sind Sie dazu eingeladen. Ich werde Rosen sagen, daß Sie kommen.«
    Ich habe das Gefühl, entlassen zu werden, ohne zu begreifen, wieso ich überhaupt herzitiert worden bin. Trotz jahrzehntelanger Studien fällt es mir immer noch schwer, das westliche Denken wirklich zu verstehen. Die Erwartung, die Welt müsse auf jede Laune reagieren (Eiskrem, Schwanz, Zielübungen) schockiert mich, den Sohn einer Nutte. Wie viele Angehörige primitiver Völker glaube ich, daß Moral sich aus einem Zustand urzeitlicher Unschuld entwickelt, dem wir treu bleiben sollten, wenn wir uns nicht vollkommen verlieren wollen. Ich vermute, daß die FBI-Frau diese Überzeugung seltsam und mitleiderregend finden würde, wenn ich es wagte, sie ihr gegenüber auszusprechen. Dem Westler mögen Kimberley Jones und Fritz als Gegenpole erscheinen; für mich sind sie praktisch identisch: zwei infantile Opfer ihrer Gelüste, mit dem einzigen Unterschied, daß die eine Jägerin ist und der andere sich hat erwischen lassen.

30
    Ich bin spät dran zu dem Treffen. Während ich auf dem Rücksitz einer Honda 125 in Richtung Botschaft brause, lausche ich per Walkman Pisits Presseschau der Tageszeitungen in thailändischer Sprache.
    Das Boulevardblatt Thai Rath hat die alte Geschichte von der Frau des Cop wieder ausgegraben, die ihrem Mann den Penis abhackte (die übliche Strafe für den zu häufigen Einsatz außer Haus) und ihn an einem Heliumballon auf eine Reise über die Stadt schickte. Der Ballon war insofern wichtig, als Polizei-Sergeant Purachai Sorasuchart sein Glied innerhalb der neun Stunden, in denen unsere fähigen Chirurgen es wieder hätten annähen können, nicht zurückbekam. Man fand es nie. In einem Artikel der Thai Rath steht, Nachbarn des Sergeants sagten, der Heliumballon sei eine Erfindung (vermutlich von Thai Rath selbst) gewesen, denn Mrs. Purachai sei am Tag der Tat beobachtet worden, wie sie weinend im Abfall herumgestochert habe. Leider seien ihr wohl die Ratten zuvorgekommen. Pisit deutet an, daß die neuen Beweise von Thai Rath in die Welt gesetzt wurden, um die Story, auf die auch Pisit sich dankbar stürzt, noch einmal aufwärmen zu können. Jetzt meldet sich Dr. Muratai zu Wort, um auf die übliche reißerische Weise die Einzelheiten der operativen Wiedervereinigung von Penis und Körper sowie die Gründe dafür zum besten

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