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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Polizei ist damit beschäftigt, dafür zu sorgen, daß er nicht zu weit geht, wenn er hier ist. Er gehört zu den farangs, die glauben, unser Land sei eine Spielwiese für reiche Psychopathen aus dem Westen, die ungerechterweise von ihrer Erste-Welt-Kultur unterdrückt werden und die urzeitlichen Wurzeln der Menschheit hier im exotischen Asien wiederfinden müssen. Wie sollte das ohne Ärger abgegangen sein?«
    »Was für Ärger?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Ich leite die Ermittlungen …«
    »Du leitest die Ermittlungen mit einer solchen Dickköpfigkeit, daß deine Todessehnsucht irgendwann tatsächlich erfüllt wird und wir hinterher die Kacke wegschippen müssen. Du bist schlimmer als mein Bruder. Hast du eigentlich eine Ahnung, was es bedeutet, einen Scheißheiligen als Bruder zu haben?« Er wendet sich von mir ab und sieht zum Fenster hinaus. »Wenn irgendwas schiefging, war’s immer meine Schuld. Mit uns wird das genauso laufen, das sehe ich schon kommen. Die Medien werden sich nach deinem gewaltsamen Tod auf die Sache stürzen, dir einen Schrein errichten. Du wirst der erste Thai-Cop sein, der wegen seiner Wahrheitsliebe und seines Gerechtigkeitssinns zum Märtyrer wird, und ich muß den Rest meines Lebens den Leuten erzählen, was für eine Ehre es war, dich bei uns zu haben, und wie schwierig es für einen armen, fehlbaren Trottel wie mich ist, deinen hohen Maßstäben gerecht zu werden. Glaub mir, von der Scheiße kriege ich durch meinen Bruder, den Klostervorsteher, schon genug.«
    »Waren es Nutten?«
    »Was waren Nutten?«
    »Der Ärger. Hat er eine verletzt? Es muß ziemlich schlimm gewesen sein, wenn es überhaupt jemandem aufgefallen ist.«
    Seufzen. »Es war schlimm, ja?«
    »Tja, aber es muß eine ausländische Nutte gewesen sein«, denke ich laut nach. »Bei einer Thai-Frau wäre nicht so ein Wirbel darum gemacht worden, selbst wenn er sie umgebracht hätte.«
    »Kein Kommentar, und was hat das überhaupt mit Bradley zu tun? Warren hat Bradley nicht getötet.«
    »Ich weiß. Trotzdem kann Warren der Schuldige sein, karmisch gesehen.«
    Als wir in die Soi Asok einbiegen, schüttelt er den Kopf:
    »Wie mein Scheißbruder.«
    Auf halber Höhe der Soi Asok kommt der Verkehr zum Stillstand. Ich kann mir jetzt schon denken, wo wir hinwollen, und der Colonel weiß, daß ich es weiß. Er sieht mich im Rückspiegel an. »Nur aus Neugierde: Was hast du eigentlich in dem Krankenhaus gemacht?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    »War Warren je dort?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    Er wendet den Blick vom Rückspiegel ab. »Warum gefällt mir die Antwort nicht?«

38
    Wie vermutet, sind wir auf dem Weg zum Ratchada Strip. Stellen Sie sich Las Vegas vor, aber mit einem anderen Laster, um das sich alles dreht. Stellen Sie sich neoorientalische Hochzeitskuchenarchitektur von atemberaubender Vulgarität vor. Stellen Sie sich vor, daß alle auch nach Einbruch der Dunkelheit Sonnenbrillen tragen. Bei Tageslicht konkurriert die grelle Neonwerbung mit der Sonne, und auf den meisten Schildern steht das Wort »Massage«. Wir biegen in die Auffahrt des Emerald Hotel ein, wo die vier Türen des Lexus gleichzeitig von Lakaien geöffnet werden, die das normalerweise für kleingewachsene Japaner mit riesigen Bankkonten tun, denn dies ist kein Ort, an dem sich Westler einquartieren. Aber inzwischen frage ich mich ohnehin, ob Sylvester Warren wirklich ein Westler ist.
    Ich warte mit meinen beiden Wachhunden, während der Colonel das Foyer durchquert, um mit einer der Damen an der Rezeption zu sprechen. Selbst aus der Entfernung spüre ich ihre Hochachtung, als er Warrens Namen nennt. Eine ruckartige Kopfbewegung des Colonel ruft uns zu den Aufzügen. Wir wählen den, der bis zur Penthouse-Suite hochfährt, und als wir im dreiunddreißigsten Stock sind, treten wir hinaus in eine weitere Lobby. Eine junge Frau in blau-goldenem Sarong begrüßt uns mit einem wai und führt uns zu einem schulhallengroßen Raum mit Panoramafenstern, fünfsitzigen Sofas, Orchideen in Kristallglasvasen und einem großgewachsenen, schlanken Mann, der uns, die Hände in die Taschen einer wattierten Smokingjacke im Stil der zwanziger Jahre vergraben, sein Profil zeigt. Meine Wachhunde sind im Erdgeschoß geblieben; nur der Colonel und ich begrüßen den Khun mit einem wai. Dieser erwidert den Gruß zu meiner Überraschung mit einem eleganten, bedächtigen Aneinanderlegen der Hände vor der Stirn. Von einem Mann seines Ranges haben Normalsterbliche

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