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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Stift.«
    »Nein.«
    »Sonchai.«
    »Ich will mit der Sache nichts zu tun haben … Es sei denn, du sagst es mir.«
    Eine typische Mutter-Sohn-Situation. Wir kennen uns gut genug, um zu wissen, was die Frage bedeutet. Ich weiche ihrem Blick nicht aus. Nach einer Weile sieht sie weg.
    »Na schön, ich sage es dir. Aber unterschreib zuerst.«
    »Nein, sag es mir zuerst. Ich traue dir nicht.«
    »Undankbarer Bengel.« Mit zitternder Hand greift sie nach einer weiteren Marlboro und zündet sie sich an.
    »Warum fällt dir das so schwer? Vielleicht weißt du ja nicht, wer’s war, weil du in dem Monat jede Nacht mit dreien geschlafen hast, aber dann sag’s einfach, es ist doch kein Geheimnis, wie du dir deinen Lebensunterhalt verdient hast.«
    »Wenn ich’s nicht wüßte, hätte ich dir das schon längst gesagt«, herrscht sie mich an und zieht hastig an der Zigarette. »So einfach ist das nicht.«
    »Wieso ist das so kompliziert? Mein Gott, Mutter.«
    Möglicherweise bilde ich mir nur ein, daß ein paar winzige Tränen in die Augenwinkel meiner Mutter getreten sind. »Na schön, mein Schatz. Aber du mußt mir versprechen, daß du mir verzeihst.«
    Trotz meines Argwohns verspreche ich es ihr.
    »Sonchai, hast du dich je gefragt, warum du unbedingt gutes Englisch lernen solltest? Ist dir aufgefallen, daß wir bei fast allen Reisen von jemandem begleitet wurden, der die Sprache perfekt beherrschte, Fritz und Monsieur Truffaut eingeschlossen?«
    »Natürlich ist mir das aufgefallen. Spätestens bei dem Harrods-Mann. Was hätte der wohl sonst zu bieten gehabt?« Wir denken zurück an einen hageren Engländer mit riesiger Nase, durch die er die meisten Vokale aussprach, und noch riesigerem Mutterkomplex. Der Mann gab damit an, daß seine Wohnung sich in der Nähe des Londoner Kaufhauses Harrods befand. Wir verbrachten zwei schreckliche Wochen mit ihm, in denen Nong eine lautstarke Auseinandersetzung mit der Mutter des Mannes hatte, die im Stockwerk über ihm wohnte, und ich kurze Zeit als Ladendieb in dem großen Kaufhaus agierte.
    »Wahrscheinlich wolltest du nur das Beste für mich.«
    »Stimmt, aber es steckte mehr dahinter. Ich hatte Schuldgefühle wegen … Ich wollte so vieles wiedergutmachen … Weißt du, er hat mich geliebt.« Meine Mutter bricht in Tränen aus. »Es tut mir leid, mein Schatz.« Sie tupft sich die Tränen mit einem Tuch ab. »Ständig die Sirenen und dann noch dieses fade Essen. Sie hatten keine Ahnung vom Kochen, alles war vollkommen geschmacklos.«
    Dem Buddha sei’s gedankt, daß ich Detective bin und fähig, in diesen dürftigen Hinweisen einen Sinn zu erkennen. Plötzlich wird mir alles klar. Eine Vergangenheit, die ich nie hatte, und eine Zukunft, die ich nie haben werde, tauchen vor meinem geistigen Auge auf. Mein Pulsschlag beschleunigt sich, und zum erstenmal im Leben hätte ich Lust, sie zu schlagen. Statt dessen greife ich nach ihren Zigaretten, nehme eine, zünde sie mir mit zitternden Fingern an und bestelle ein weiteres Bier. Ich trinke in großen Schlucken aus der Flasche. »Er war also Amerikaner?«
    »Ja.«
    »Beim Militär?«
    »Ja. Sehr mutig. Er hatte jede Menge Auszeichnungen, war Offizier. Der Krieg hat ihn furchtbar mitgenommen, seine Psyche war ein Schlachtfeld.«
    Ich ziehe an der Zigarette und frage: »Er hat dich nach Amerika mitgenommen und wollte dich heiraten?« Sie nickt. »New York?«
    »Manhattan. Die Wohnung war in der Nähe der Feuerwehr. Alle fünf Minuten gingen die Sirenen. Ich dachte, die ganze Stadt steht in Flammen.«
    »Und das Essen war schrecklich?«
    »Hab Erbarmen, mein Schatz. Ich war damals achtzehn, völlig verängstigt, noch nie aus Thailand rausgekommen, konnte kaum Englisch und habe mich nach meiner Mutter gesehnt. Damals war ich noch nicht so hart wie heute. Nach deiner Geburt bin ich erwachsen geworden.« Sie atmet aus. »Nicht mal Reis konnten sie richtig kochen. Seine Eltern haßten mich. Ich hatte braune Haut und Schlitzaugen, und egal, was er sagte, sie wußten, wie wir uns kennengelernt hatten, wie ich mir meinen Lebensunterhalt verdiente.«
    »Aber er hat dich geliebt?« Sie nickt. »Er wußte, daß du schwanger warst?«
    »Er war schon vor deiner Geburt ganz vernarrt in dich. Ich bin weggelaufen. Er ist mir nach Thailand gefolgt, aber ich habe mich auf dem Land versteckt und mit dem Klostervorsteher darüber gesprochen. Du weißt nicht, daß ich damals im Kloster war, stimmt’s? Er hat mich gefragt, ob mein amerikanischer Liebhaber mich

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