Der Jäger
der Zunge über die Lippen: »Frank, du rufst bei diesen beiden Frauen an, Schwab und Sperling. Wir müssen uns auf jeden Fall noch heute mit ihnen unterhalten. Ich versuch’s bei Camilla Faun. Wenn wir beiSchwab und Sperling jetzt niemanden erreichen, dann fahren wir zuerst zu Faun. O Mann, ist das ein Tag! Warum kommen diese Hämmer immer dann, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet? Kann mir das mal einer verraten?«
»Frau Durant«, sagte Berger mit einem seltenen Lächeln, »Ihre letzte Frage vermag ich nicht zu beantworten, aber ich weiß eines – wenn jemand den Fall Müller klären kann, dann Sie und Ihre Kollegen …«
»Es ist doch nicht allein der Fall Müller«, unterbrach sie ihn scharf. »Es ist der Fall Müller, Albertz, Weidmann
und
Kassner. Wetten?« Sie sah Berger durchdringend an. »Und habe ich beziehungsweise haben wir die Fälle Albertz und Weidmann bis jetzt lösen können?! Ich bin kein Übermensch, und ich werde es auch nie sein. Wer immer hinter diesen Morden steckt, er ist so verdammt clever und sich seiner Stärke dermaßen bewusst, dass er uns womöglich noch eine ganze Weile an der Nase rumführen wird.«
»Sehen Sie doch nicht so schwarz.«
»Ich sehe nicht schwarz. Ich sehe nur die Realität. Und ich sehe eine Serie auf uns zukommen. Ach Quatsch, das ist schon eine Serie! Das alles ist kein Zufall. Aber was soll’s, schwingen wir uns ans Telefon.«
Sie erhob sich, begab sich zu ihrem Schreibtisch, nahm den Hörer von der Gabel und rief bei Camilla Faun an. Nach dem zweiten Klingeln wurde abgenommen. Sie nannte ihren Namen und sagte, sie würde gerne so bald wie möglich mit ihrem Kollegen vorbeischauen. Hellmer kam ins Büro: »Bei der Sperling hab ich niemanden erreicht, aber die Schwab ist zu Hause. Wir können jederzeit kommen.«
»Dann fahren wir zuerst zu der Faun, das ist ja gleich um die Ecke, danach zur Schwab.«
»Und vorher eine Kleinigkeit essen. Ne Currywurst reicht schon«, sagte Hellmer grinsend.
»Wenn’s sein muss«, erwiderte Julia Durant. »Mir ist eigentlich der Appetit vergangen.«
»Ach komm, das ist doch nicht das erste Mal, dass wir … Ich meine, vielleicht ist die Lösung ja ganz simpel. Was, wenn die Müller von ihrem Mann umgebracht wurde?«
»Das glaubst du ja selber nicht. Wenn ein Ehepartner den andern umbringt, ich meine, wenn ein Mann seine Frau umbringt, dann geschieht dies meistens aus einem Affekt heraus. Ich kenne jedenfalls keinen einzigen Fall, in dem ein Mann seine Frau auf diese geradezu absurde Weise umgebracht hätte. Nee, der war’s nicht. Außerdem wäre er dann wohl auch der Mörder von Albertz und Weidmann. Und jetzt los, der Tag ist noch lange nicht zu Ende.«
Bergers Telefon klingelte, als Durant und Hellmer gerade das Büro verlassen wollten. Das Gespräch dauerte nur wenige Sekunden. Er sagte, nachdem er aufgelegt hatte: »Der Mercedes ist gefunden worden. In der Feldbergstraße, nur einen Katzensprung vom Grüneburgpark entfernt. Wir lassen den Wagen gleich zur KTU bringen. Und jetzt viel Erfolg.«
Auf dem Weg nach draußen stießen sie fast mit Kullmer zusammen. »Und?«, fragte er.
»Lassen Sie sich’s von Berger erzählen. Suchen Sie inzwischen mal die Akten der Fälle Albertz und Weidmann raus, und vergleichen Sie die Berichte mit dem von Erika Müller. Suchen Sie nach Übereinstimmungen in der Vita der Frauen, Aussehen, Größe, Alter und so weiter. Und machen Sie’s so genau, als müssten Sie Ihre Doktorarbeit darüber schreiben.«
»He, was ist denn los?«, sagte er verdutzt.
»Fragen Sie Berger. Wir sind jetzt erst mal weg.«
Montag, 11.00 Uhr
Als Viola Kleiber ihren metallic-blauen Jaguar in die Toreinfahrt lenkte, hatten die meisten Wolken der Sonne Platz gemacht. Der lange Regen des Wochenendes war nur noch Vergangenheit, und der Wetterbericht versprach zumindest für die nächsten drei Tage Sonnenschein und angenehm milde Temperaturen zwischen zehn und fünfzehn Grad. Sie schaltete den Motor aus, klappte die Sonnenblende herunter, betrachtete ihr Gesicht noch einmal im Spiegel, nickte kaum merklich, nahm ihre Handtasche und stieg aus. Mit langsamen, anmutigen Schritten bewegte sie sich auf das große weiße Haus zu, verharrte einen kurzen Moment vor der Tür, bevor sie klingelte. Kaum hörbar wurde der Türsummer betätigt, und sie trat ein. Sie trug eine sonnenblumengelbe Bluse und ein dunkelblaues Kostüm, dessen Rock etwa zehn Zentimeter über dem Knie endete. Ihre schulterlangen
Weitere Kostenlose Bücher