Der Jäger
Cola, Durant ein kleines Bier.
»Warum trinkst du heute so viel?«, fragte er.
»Ich trinke nicht viel, mir geht nur diese ganze Scheiße an die Nieren. Du musst ja nicht unbedingt jedem auf die Nase binden, dass ich bei Richter einen Wodka und beim Essen ein Bier getrunken habe. Und du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen, dass ich nicht mehr klar denken könnte. Ich kann es noch, auch wenn ich hundemüde bin.«
»Ist ja gut. Reg dich wieder ab.« Er aß zwei Stückchen Wurst und sagte wie beiläufig: »Was hältst du davon, dass die Maibaum bei Richter in Behandlung ist?«
»Was soll ich davon halten? Ihr Mann ist impotent, und sie ist deprimiert deswegen. Wäre ich wahrscheinlich auch. Im Prinzip ist es mir scheißegal, was die Maibaum dort macht.«
Als sie im Präsidium ankamen, war Ruth Gonzalez bereits da. Sie unterhielt sich angeregt mit Kullmer, der sich große Mühe gab, einen näheren Kontakt zu ihr herzustellen. Durant registriertedies sichtlich amüsiert, wusste sie doch, dass Kullmers Beziehung vor kurzem in die Brüche gegangen war und er jetzt Ausschau nach einer neuen Frau hielt.
»Frau Gonzalez«, sagte Durant, während sie in Kullmers Büro trat, »schön, dass Sie Zeit gefunden haben, herzukommen. Können wir uns gleich ein wenig unterhalten? Ich meine, wenn Herr Kullmer nichts dagegen hat.« Dabei warf sie ihm einen spöttischen Blick zu, den er nur kurz erwiderte.
»Nein, ich denke, Ihr Kollege wird nichts dagegen haben«, sagte sie mit einem Lächeln. »Wir haben nur ein wenig über Astrologie gesprochen. Es bleibt doch bei heute Abend, oder?«
Kullmer errötete, nickte. »Natürlich. Ich will ja schließlich wissen, was mit mir los ist.«
»Ich kann Ihnen auch so sagen, was mit ihm los ist«, bemerkte Julia Durant süffisant lächelnd. »Aber lassen Sie uns in mein Büro gehen, wo wir ungestört sind.«
Die Kommissarin ging voran und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Sie deutete auf einen Stuhl, Ruth Gonzalez zog ihn näher an den Schreibtisch heran und nahm Platz. Sie schlug die Beine übereinander, lehnte sich zurück und faltete die Hände über dem Schoß.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie.
»Es geht noch immer um diese Morde. Wir haben inzwischen ein weiteres Opfer, eine junge Frau, die heute Nacht im Holzhausenpark gefunden wurde.«
»Skorpion-Löwe, nehme ich an?«, sagte Ruth Gonzalez in ruhigem Ton.
»Vermutlich. Mittlerweile wurde auch die Presse informiert. Es gibt allerdings noch einen Toten, sein Name ist Konrad Lewell. Sagt Ihnen dieser Name etwas?«
Ruth Gonzalez zögerte einen Moment, schließlich antwortete sie: »Er sagt mir allerdings etwas. Was genau ist passiert?«
»Er wurde erschossen. All seine Unterlagen sind verschwundenund die Dateien aus seinem Computer gelöscht. Was wissen Sie über ihn?«
Ruth Gonzalez presste die Lippen zusammen und senkte den Blick. Es schien, als wollte sie ihre Gedanken ordnen, bevor sie weiterredete. Sie sprach leise und bedächtig.
»Konrad und ich waren einige Zeit so etwas wie liiert. Ich habe mich allerdings vor gut einem Jahr von ihm getrennt«, berichtete sie weiterhin in ruhigem Ton. Sie wirkte weder besonders erschüttert oder gar geschockt von der Nachricht seines Todes, sie machte im Gegenteil einen sehr gefassten, besonnenen Eindruck. »Ich habe es kommen sehen, dass er eines Tages so enden würde.«
»Wie haben Sie das kommen sehen? Aus astrologischer Sicht, oder wie soll ich das verstehen?«
»Nein«, antwortete sie kopfschüttelnd. »Konrad war ein sehr schwieriger Mensch. Anfangs dachte ich, es könnte was mit uns werden, auch wenn unsere Horoskope etwas anderes sagten, aber letztendlich hängt das Schicksal eines Menschen oder einer Partnerschaft nicht von einem Horoskop ab, sondern von dem, was man selbst aus seinem Leben macht. Und zwei Menschen, die eigentlich von der Konstellation her überhaupt nicht zusammenpassen, können durchaus eine sehr glückliche und harmonische Beziehung führen. Doch dazu bedarf es der Anstrengung beider. Aber um auf Konrad zurückzukommen – um es vorsichtig auszudrücken, er war ein Mensch mit zwei völlig unterschiedlichen Gesichtern. Das eine zeigte einen Mann, der sich unglaublich gut in Menschen einfühlen konnte, dessen mediale Begabung völlig außer Frage stand; das andere zeigte den Mann, den ich erst nach und nach kennen lernte und den ich so nicht haben wollte. Er wollte sich nicht binden, verlangte aber, dass ich ihm jederzeit zur Verfügung
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