Der Jäger
stand, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er war extrem eifersüchtig, sah in jedem anderen Mann einen potenziellen Feind, der umgehend zu eliminieren war. Und genau das wares, was schließlich zur Trennung geführt hat. Ich lasse mir nicht gerne Vorschriften machen, und sobald ein Mann die Hand gegen mich erhebt, ist sowieso alles vorbei. Er hat mich einmal grün und blau geschlagen, weil er dachte, ich hätte eine Affäre mit einem andern. In Wirklichkeit war da absolut nichts. Für meine Begriffe war er krank und unfähig, seine Gefühle auszudrücken.
Er war ein unverbesserlicher Zyniker, der es bisweilen geradezu genoss, andern wehzutun. Ich weiß, dass er bis zuletzt unzählige Affären hatte, auch während unserer Zeit, nur hat mich das am Ende nicht mehr gestört. Als ich mich in ihn verliebt habe, war er anders gewesen. Aufmerksam, liebevoll, immer um mich bemüht. Aber es war alles nur Fassade.
Er ist einfach mit sich selbst nicht klargekommen. Es gab Tage, da hat er sich ins Auto gesetzt und ist stundenlang ziellos durch die Gegend gefahren, um seine angestaute Wut oder Frustration abzubauen. Er hat in der Bibel gelesen und meditiert, aber es hat alles nichts geholfen. Er war sich durchaus bewusst, dass irgendetwas in seinem Kopf fehlgesteuert war, aber er war unfähig, etwas dagegen zu unternehmen. Nur bin ich nicht der Typ, der so was lange aushält. Nach seinem letzten Wutausbruch habe ich ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mit ihm nichts mehr zu tun haben wollte. Ein paar Mal ist er noch angekrochen gekommen und hat mich angefleht, ihn nicht fallen zu lassen, aber es war einfach zu spät. Ich wollte nicht mehr. Ich habe ihn nicht nur einmal gefragt, warum er so ist.
Ich kenne sein Horoskop und seine Anlagen, und ich weiß, dass in seiner Kindheit eine Menge schief gelaufen ist. Aber er hat nie wirklich mit mir über seine Kindheit oder Jugend gesprochen. Er hat immer gesagt, er habe keine Probleme. Er sei nun mal so, und ich hätte das zu akzeptieren. Ich weiß im Prinzip heute noch nichts von ihm. Doch es tut mir natürlich schon Leid, dass er tot ist. Wie sagt man so schön, Genie und Wahnsinn liegen dichtbeieinander. Er war genial, aber auch wahnsinnig. Ich weiß, es hört sich hart an, aber so sehe ich es.«
»Wieso haben Sie uns nicht schon früher gesagt, dass Sie mit Lewell liiert waren?«
»Sie haben mich nicht nach meinem Privatleben gefragt. Und auch den Namen Lewell haben Sie in meiner Gegenwart nie erwähnt.«
»Entschuldigung, war nicht so gemeint. Wissen Sie denn, wer zu seiner Klientel gehörte?«
Ruth Gonzalez schüttelte den Kopf. »Ich kenne nur ein paar Namen, aber er hatte mindestens hundertfünfzig Stammkunden. Und dazu kommen noch all jene, die nur einmal erscheinen. Ich nehme an, sein Tod hat etwas mit diesen Frauenmorden zu tun, richtig?«
»Es deutet alles darauf hin. Aber wenn wir schon bei unserem ersten Zusammentreffen gewusst hätten, dass Sie Herrn Lewell näher gekannt haben …«
»Was dann? Ich hätte Ihnen nicht weiterhelfen können. Und Konrad hätte Ihnen niemals verraten, wer zu seinen Klienten gezählt hat.«
»Das haben wir versucht herauszubekommen, aber er hat geschwiegen wie ein Grab. Und dann war er auf einmal tot.«
»Tut mir Leid für Sie. War das alles, was Sie von mir wollten?«, fragte Ruth Gonzalez.
»Nein, eigentlich gibt es einen anderen Grund, weshalb ich Sie sprechen will. Wir haben bis jetzt sechs tote Frauen und sechs verschiedene Tat- beziehungsweise Fundorte. Wir haben diese Orte auf der großen Frankfurt-Karte mit Pins markiert und denken, dass der Täter sie nicht zufällig gewählt hat. Wir haben alle Möglichkeiten durchgespielt, haben die Orte durch Linien miteinander verbunden und haben sogar die Computerabteilung eingeschaltet, aber wir steigen einfach nicht dahinter, was er uns zeigen will oder ob er uns überhaupt etwas zeigen will. Vielleichtkönnen Sie sich ja mal die Karte anschauen und … Na ja, möglicherweise gibt es doch ein Muster. Vielleicht hat es irgendwas mit Astrologie zu tun.«
»Kein Problem. Zeigen Sie mir die Karte, und ich werde sehen, ob ich Ihnen weiterhelfen kann.«
»Sie hängt drüben beim Chef.«
Sie erhoben sich und begaben sich in Bergers Büro. Er schaute gleich auf, als Durant mit Ruth Gonzalez hereinkam, kurz darauf gefolgt von Hellmer und Kullmer. Sie blieben etwa einen Meter vor der Karte stehen, die übersät war mit winzigen Löchern, in denen jetzt aber nur sechs Pins
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