Der Jäger
hatte und die siewie jetzt besonders vermisste. Sie war die Trösterin und die Schulter, an der sie sich als kleines Mädchen ausweinen konnte. Sie sehnte sich jetzt nach Schutz und Geborgenheit, aber es gab niemanden, der bei ihr war, dem sie ihre Sorgen anvertrauen konnte, der mit ihr weinte, wenn ihr danach zumute war. Einsamkeit.
Sie nahm ihr Essen mit ins Wohnzimmer, stellte die Suppentasse und den Brotteller auf den Tisch, aß langsam und sah ab und zu zum Fernseher. Tagesschau. Der Wetterbericht verhieß auch für das Wochenende viel Sonne und ab dem Sonntagabend Regen. Ein Blick auf den Kalender verriet ihr, dass in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Uhren um eine Stunde zurückgestellt wurden, sie dadurch eine Stunde länger schlafen konnte. Wenn nicht wieder was passiert, dachte sie, während sie in das Brot biss.
Nach dem Essen lehnte sie sich zurück, steckte sich eine Zigarette an und dachte über den vergangenen Tag nach, obwohl sie es nicht wollte. Sie beschloss, runter zum Kiosk zu gehen und sich die Wochenendausgabe der Frankfurter Rundschau zu holen. Auf der ersten und zweiten Seite war jeweils ein ausführlicher Bericht über die Frauenmorde der letzten Tage, mit den jeweiligen Fotos der Opfer. Dazu die Bitte der Polizei um Mithilfe der Bevölkerung. Wer hat diese Frauen zuletzt gesehen? Eine vage Hoffnung, mehr nicht. Als sie wieder in ihrer Wohnung war, rief sie bei ihrem Vater an. Er meldete sich sofort.
»Hallo, Paps, ich bin’s. Du hast versucht, mich zu erreichen?«
»Gestern Abend schon. Hast du wieder Dienst gehabt?«
»Ich war bei Frank und Nadine und hab dort auch übernachtet, aber leider so gut wie gar nicht geschlafen. Wir haben im Moment eine fast unglaubliche Mordserie. Ich bin einfach fix und alle.«
»Komm runter, wenn du willst«, sagte er. »Ich würde mich freuen.«
»Wenn alles vorbei ist, dann komme ich. Aber wie es aussieht, haben wir noch mindestens einen Mord vor uns.«
»Woher weißt du das?«, fragte er neugierig.
»Ich hab dir doch erzählt, dass er nur Frauen ermordet, die unter dem Sternzeichen Skorpion geboren sind. Und dazu müssen sie auch noch einen bestimmten Aszendenten haben. Und heute Mittag war eine Astrologin bei uns im Präsidium, die uns auf dem Stadtplan gezeigt hat, dass er ein Muster verfolgt. Die Tatbeziehungsweise Fundorte sollen das Sternbild Orion nachbilden. Doch es fehlt noch ein Stern.«
»Ein sehr phantasievoller Mörder. Aber was für eine Verbindung gibt es zwischen Skorpion und Orion?«
»Paps, das würde zu lange dauern. Aber es existiert eine in der griechischen Mythologie. Du hast doch unzählige Lexika und Literatur zu allen möglichen Themen. Mach dir einen schönen Abend und lies es nach. Ich wollte mich eigentlich nur mal bei dir ausheulen. Letzte Nacht wurde eine junge Frau umgebracht, die so unschuldig war wie ein kleines Kind. Und wenn man diese Toten dann auch noch sieht und die Nachricht den Eltern überbringen muss … Aber was erzähl ich dir da, du hast das schon oft genug von mir gehört.«
»Ja, und deswegen denke ich, wäre es besser, wenn du diesen Beruf erst mal auf Eis legen würdest. Ich meine, sobald ihr den Mörder habt. Dieser Beruf ist nichts für dich, das habe ich immer gewusst.«
»Nein, Paps, das stimmt nicht. Ich liebe diesen Beruf, und ich werde ihn auch niemals aufgeben. Nur manchmal wird es einfach zu viel. Du hast dein Priesteramt auch nicht aufgegeben, obwohl du mit einigen schrecklichen Dingen konfrontiert worden bist. Es ist eigentlich kein großer Unterschied zwischen einem Pfarrer und einer Polizistin.«
»Aus deiner Sicht magst du durchaus Recht haben, aber ich sehe doch, wie du immer öfter leidest. Tu dir wenigstens etwas Gutes,und nimm mal für eine Weile unbezahlten Urlaub. Wenn ich daran denke, wie sich deine Stimme noch vor ein paar Jahren angehört hat, und das mit jetzt vergleiche … Ich möchte einfach nicht, dass du an deinem Beruf kaputtgehst. Das ist alles. Denn ich hab dich sehr lieb, und es würde mir das Herz brechen, wenn …«
»Papa, bitte mach dir keine Sorgen um mich. Es geht mir nicht so schlecht, wie du vielleicht glaubst. Ich bin heute möglicherweise auch nur übermüdet, weil ich letzte Nacht kein Auge zugekriegt habe und ständig an dieses Mädchen denken musste. Ich verspreche dir, mich zurückzunehmen und auf meine körperliche und geistige Gesundheit zu achten.«
»Du weißt genau, dass du dieses Versprechen nicht einlösen kannst. Du rauchst zu viel,
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