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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zeigte zwei Nachrichten an, eine war von ihrem Vater, der sich schon wieder nach ihrem Befinden erkundigte, die andere war nur ein langes Piep, der Anrufer hatte wieder aufgelegt, weil er keine Nachricht hinterlassen wollte. Sie zuckte die Schultern, ließ sich auf die Couch fallen, nahm eine Dose Bier und trank sie in einem Zug aus.
    Sie wählte Richters Nummer, seine Frau meldete sich. Sie sagte bloß, ihr Mann sei über Handy zu erreichen. Er schien gerade im Auto zu sitzen, als er das Gespräch annahm.
    »Hier Durant. Ich habe nur eine Frage. Hat Maria van Dyck Beruhigungsmittel und Antidepressiva geschluckt?«
    »Sie hat Aponal und Librium genommen, allerdings nur in sehr geringen Dosen. Warum?«
    »Man hat im Labor eine Riesenmenge Valium festgestellt. Können Sie sich das erklären?«
    »Nein, Maria hätte nie von sich aus Valium genommen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Wie viel war es denn?«
    »Etwa fünfzig Milligramm.«
    »Du meine Güte, damit kann man ja einen Ochsen schlafen legen. Nein, das hätte sie nie gemacht. Das ist ihr mit Sicherheit untergejubelt worden. Es gibt ja Valiumtropfen, und wenn man die unter ein Getränk mischt, merkt derjenige das möglicherweise gar nicht. Es schmeckt zwar ein bisschen bitter, aber … Nein, sie hätte ja mit dieser Menge auch gar nicht Auto fahren können. War’s das?«
    »Nein, nicht ganz. Sie war auch keine Jungfrau mehr. Aber sowohl Sie als auch ihr Vater haben gesagt, sie hätte noch nie etwas mit einem Jungen gehabt.«
    »Hören Sie, Frau Durant, Maria war meine Patientin, und ich weiß Dinge von ihr, die jeden normalen Menschen schaudern lassen. Selbst mich hat es erschüttert, was sie mir erzählt hat. Nur bitte, bohren Sie nicht weiter, ich werde Ihnen nicht sagen, was mit ihr war. Und Sie wissen, ich unterliege einer Schweigepflicht, und diese werde ich unter gar keinen Umständen verletzen. Okay? Ich kann Ihnen aber garantieren, dass Maria wirklich noch nie mit einem Jungen sexuell verkehrt hat. Mehr Informationen bekommen Sie nicht. Und behelligen Sie bitte auch nicht Herrn van Dyck mit dieser Information. Er weiß nichts davon und sollte es auch nie erfahren. Genauso wenig wie Marias Mutter. Ich wollte es nur sagen, damit Sie nicht auf dumme Gedanken kommen.«
    »Ich habe schon verstanden. Dann vielen Dank für die Auskunft.«
    Sie legte den Hörer auf und drückte die Fernbedienung des Fernehers.Die tägliche Talk-Show mit Hans Meiser, sie hörte einen Moment zu, fand es widerlich, wie manche Menschen sich im Fernsehen prostituierten. »Ich weiß, ich bin pervers«, war das Thema. Eine Frau in einem Domina-Outfit, ein über und über gepiercter Mann, eine Tunte. Arschlöcher!, dachte sie verächtlich und schaltete zu Viva. Musikvideos. Sie legte die Beine hoch, meinte das Strömen des Blutes durch ihre Venen zu spüren, leichte Stiche in der linken Schläfe. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie wirklich war. Sie schaute auf den Fernseher, ihre Lider wurden immer schwerer, fielen zu, und allmählich hüllte Schlaf sie ein.
    Um kurz vor acht, Dunkelheit hatte sich über die Stadt gelegt, und in der Wohnung war es kühl geworden, wachte sie auf. Sie fröstelte, schloss die Fenster, drehte die Heizung hoch, ging verschlafen ins Bad und ließ sich Badewasser einlaufen. Sie fühlte sich wie gerädert, schaute in den Spiegel und sah die dunklen Ringe unter ihren Augen. Ihr Magen rebellierte, er verlangte nach etwas zu essen. Also ging sie in die Küche, schüttete die Tomatensuppe in den Topf und stellte ihn auf den Herd, schmierte sich zwei Scheiben Brot, legte Salami und Käse darauf und wartete, bis die Suppe warm war. Nach einigen Minuten stellte sie das Wasser ab und fühlte die Temperatur. Eine warme Suppe, ein heißes Bad und noch etwas fernsehen und nichts tun und denken.
    Vielleicht noch ein paar Worte mit ihrem Vater wechseln, obgleich sie sich am liebsten sofort ins Auto gesetzt und zu ihm gefahren wäre, nur für ein paar Tage. Ausspannen, die Seele baumeln lassen. Sich bei heißem Tee, Kerzenlicht und entspannender Musik mit ihm über Gott und die Welt unterhalten, über früher, als sie noch klein und die Welt für sie noch heil und in Ordnung war und sie an das Gute im Menschen glaubte. Als sie in ihrer kindlichen Naivität nicht für möglich hielt, dass ein Mensch einen anderen umbringen konnte. Und wie immer, wenn Melancholie sie überfiel, dachte sie in Momenten wie diesen an ihre Mutter, die viel zu früh diese Welt verlassen

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