Der Jäger
losgelassen hat. Warum hast du ihr das angetan? Bitte sag’s mir.«
»Es gibt nichts zu sagen, mein Lieber. Und wenn, wärst du der Letzte, mit dem ich über etwas aus meiner Vergangenheit sprechen würde.«
»Also habe ich doch Recht.« Ein Hauch von Resignation lag in seiner Stimme. »So wie du verhält sich nur jemand, der etwas zu verbergen hat. In Ordnung, dann werde ich jetzt gehen. Und tu mir bitte einen Gefallen, unternimm nichts, was du am Ende bereuen würdest. Du tust mir nur unendlich Leid. Wenn du offen mit mir gesprochen hättest, hätte ich dir vielleicht sogar helfen können. Aber so …«
Sie setzte sich aufrecht hin und griff nach seinem Arm. »Geh nicht«, sagte sie plötzlich flehend. »Ich brauch dich. Und es tut mir Leid.«
»Was tut dir Leid?«, fragte er, ohne ihrer unausgesprochenen Aufforderung, sich zu ihr zu setzen, nachzukommen.
»Alles, ich schwöre es. Und ich will dir auch erklären, was damals mit mir passiert ist. Aber bitte geh nicht.«
Sie wirkte mit einem Mal traurig, unendlich traurig und verzweifelt. Da war kein Spott mehr, kein Zynismus, kein Hohn. Er löste sich aus ihrem Griff und setzte sich in den Sessel. Sie stand auf, lehnte sich mit dem Rücken an den Schrank, den Blick zu Boden gerichtet.
»Als Maria geboren wurde, waren Peter und ich ein glückliches Paar. Wir wollten Kinder haben, nicht eines, sondern drei oder vier. Er hatte sich eine Tochter gewünscht, mir war es egal, Hauptsache, das Baby war gesund. Ein gutes Jahr später hatte ich eine Eileiterentzündung, und obwohl die Ärzte mir gesagt haben, es sei nichts Schlimmes, hat es damit geendet, dass ich keine Kinder mehr bekommen konnte. Für mich war das natürlich einSchock, für ihn aber ein noch viel größerer. Er hat sich ab diesem Moment fast nur noch um Maria gekümmert, mich hat er einfach links liegen lassen. Maria hier, Maria dort, ich zählte überhaupt nicht mehr. Ab einem gewissen Zeitpunkt hat er nicht einmal mehr mit mir geschlafen, dafür hat er jede Menge andere Frauen gevögelt, meistens junge Dinger, sechzehn, siebzehn, achtzehn! Sie sollten möglichst nicht älter sein. Jedes kleine Luder, das sich Schauspielerin nannte oder nennen wollte, hat die Beine breit gemacht, um eine Rolle zu bekommen. Und so ist es auch heute noch.« Sie seufzte auf, schüttelte den Kopf. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie er mich gedemütigt hat! Ich sollte mich schön brav zu Hause um alles kümmern, während er es sich gut gehen ließ. Na ja, und irgendwann ist mir der Kragen geplatzt …«
Sie machte eine Pause und sah Richter an. Er erwiderte ihren Blick, presste kurz die Lippen aufeinander und sagte dann: »Und da hast du deinen ganzen Frust an Maria ausgelassen. Warum? Warum an diesem kleinen Mädchen, das ja auch deine Tochter war?«
»Wenn ich das nur wüsste?!«, schrie sie verzweifelt, mit Tränen in den Augen. »Ich hasse mich so sehr dafür.«
»Wolltest du es ihm heimzahlen? Es war so, nicht? Die Tochter, die er über alles geliebt hat, diese Tochter sollte am besten aus deinem Leben verschwinden, damit er endlich wieder Zeit für dich hatte. Habe ich Recht?«
Claudia van Dyck zuckte nur die Schultern.
»Du hast ihr die Schuld für alles gegeben. Claudia, was hast du nur getan? Ich wusste die ganze Zeit über, dass du lieben und hassen kannst wie kaum eine andere, aber ich hätte dir so etwas niemals zugetraut.«
»Na und!«, schrie sie erneut und hielt sich den Kopf. »Macht das vielleicht die ganze Sache ungeschehen?! Ich habe schon vor vielen Jahren eingesehen, was ich angerichtet habe, und glaubemir, ich wollte es wieder gutmachen. Aber Maria hat mich nicht mehr an sich herangelassen. Dabei schien es mir, als ob sie alles vergessen hätte. Zumindest habe ich es gehofft. Und dann bist du gekommen und hast diesen ganzen Mist aus ihr herausgeholt. Deswegen wollte ich nicht, dass du sie behandelst. Ich weiß, ich bin schlecht, abgrundtief schlecht, und ich hasse mich manchmal so sehr, dass ich mich nicht einmal im Spiegel ansehen mag. Und jetzt ist Maria tot, und ich kann nichts mehr tun, ich kann nur noch mit der Schuld leben, die ich auf mich geladen habe! Und irgendwann werde ich ihr da oben gegenüberstehen, und sie wird mit mir nichts mehr zu tun haben wollen.« Sie fing an, hemmungslos zu weinen, hielt sich die Hände vors Gesicht, ihr Körper vibrierte.
Richter stand auf, ging zu ihr hin, legte einen Arm um ihre Schultern, und sie schmiegte sich an ihn.
»Es ist gut. Komm,
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