Der Jäger
heftige Schlag in ihren Bauch raubte ihr den Atem, der folgende Kuss auf ihre Brust hatte wiederum etwas Versöhnliches. War es doch nur ein Spiel, der große Kick, den sie schon lange suchte? Wieder ein Schlag, diesmal gegen ihre Brust, ein weiterer in den Bauch und auf den Venushügel. Vernichtender Schmerz.
»Deine Brustwarzen sind immer so schön steif, selbst wenn du entspannt bist. Ach so, bevor ich’s vergesse, ich will dir noch den Grund nennen, warum ich dich töten muss. Du bist Skorpion, und dein Aszendent ist Löwe. Und ich habe feststellen müssen, dass ihr alle verkommen seid. Ihr seid der Abschaum der Erde. Die kleine van Dyck vielleicht ausgenommen, aber wegen ihr konnte ich meinen Plan nicht ändern. Und schon in wenigen Minutenwirst du der Fuß des Orion sein, oder nein, du wirst von seinem Fuß zertreten werden. Sorry, Jeanette, aber so ist das Leben – und der Tod …« Ein höhnisches Lachen, das Aufflammen eines Feuerzeugs, Zigarrenrauch. »Ich muss doch mal probieren, wie Zigarren so schmecken. Gar nicht so übel. Trotzdem ziehe ich Zigaretten vor … Ich liebe deine Brüste, weißt du das? Aber gleich werden sie nicht mehr so schön aussehen.«
Wieder Küsse, streicheln. Der unsägliche Schmerz des Bisses ließ Jeanette Liebermann fast wahnsinnig werden, den zweiten spürte sie kaum noch, weil sie die Besinnung verlor.
Sie wachte erst wieder aus ihrer Ohnmacht auf, als ein kühlendes Tuch auf die beiden Wunden gelegt wurde. Ihr Herz schlug in hämmerndem Stakkato, sie hatte Mühe zu atmen. Ein wahr gewordener Albtraum. Ein Film, in dem sie die Hauptrolle spielte, den aber nie jemand sehen würde. Sie hatte Angst. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie wirklich Angst. Wenn andere von Depressionen oder Angst sprachen, konnte sie sich nichts darunter vorstellen, auch wenn sie schon Rollen gespielt hatte, in denen sie Furcht und Angst ausdrücken musste. Sie wollte nicht sterben, nicht so.
Erbarmen, flehte sie still. Mach mit mir, was du willst, aber lass mich am Leben. Ich werde auch niemandem etwas verraten. Ich schwöre es. Doch ihr stummes Flehen wurde nicht gehört. Sie weinte, zitterte. Ihr war kalt. Das und der brennende Schmerz ihrer Brüste sagten ihr, dass sie noch lebte.
»So, und jetzt kommen wir allmählich zum Ende. Ein kleiner Piks noch, du wirst ihn kaum spüren, nicht nach dem, was du eben erlebt hast. Ich werde dir nur deinen Stachel einsetzen. Es ist nicht viel anders als Piercing. Fotzenpiercing, nennt man das so? Was soll’s, ich würde mir da unten nie was durchstechen lassen. Ich hab ja schon furchtbare Angst vorm Zahnarzt. Und nächste Woche habe ich schon wieder einen Termin. Schrecklich, allein der Gedanke daran! So, und jetzt der Piks, der musssein, leider … Fertig. Deine kleine Fotze ist verschlossen. Da kommt keiner mehr rein. Und jetzt sag ›Adieu, liebe Welt‹, denn es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Ich muss nämlich leider schon wieder nach Hause.«
Jeanette Liebermann spürte den Kuss auf ihrer Stirn, auf dem Hals, die Drahtschlinge, die um ihren Hals gelegt und mit einem kräftigen Ruck zugezogen wurde. Es war fünf Minuten nach Mitternacht, als das Herz der Schauspielerin Jeanette Liebermann zu schlagen aufhörte. Finsternis.
Samstag, 10.30 Uhr
Es war Monate her, dass Julia Durant so lange und ohne zwischendurch aufzuwachen geschlafen hatte. Und sie hätte noch weiter geschlafen, wenn das Telefon sie nicht geweckt hätte. Sie öffnete vorsichtig die Augen, tastete nach dem Hörer, der auf dem Nachtschrank lag.
»Ja?«, meldete sie sich und setzte sich auf.
»Hier Feldmann. Frau Durant?« Feldmann war ein Kollege von der Mordkommission, mit dem sie allerdings nur selten zusammenarbeitete und den sie wegen seines rüden und schroffen Umgangstons auch nicht besonders mochte. Vor drei Jahren war ihm sogar ein Verfahren an den Hals gehängt worden, weil er angeblich einen Verdächtigen beim Verhör zusammengeschlagen hatte. Auch wenn Feldmann das vehement bestritten hatte, war er erst mal für einige Wochen vom Dienst suspendiert worden, bis die Anklage wegen angeblich fehlender Beweise fallen gelassen wurde. Sie kannte jedoch seine Art und wusste, dass seine Fäuste manchmal schneller waren als sein Mund.
»Ja, was gibt’s denn?«
»Ich weiß, Sie haben keine Bereitschaft mehr, aber wir haben eine weitere Tote. Jeanette Liebermann. Ich denke, der Namesagt Ihnen etwas. Und vielleicht wäre es besser, wenn Sie sich drum kümmern
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