Der Jäger
gespannt. Sie holte die Fotos hervor. »Schauen Sie genau hin. Kennen Sie eine der Damen?«
Sie legte die Fotos auf den Tisch, Kleiber betrachtete sie eingehend. Er nickte. »Ja, natürlich, das hier ist Judith, und diese junge Frau war auf einer dieser Feiern, entweder bei Lewell oder Maibaum. Aber wie gesagt, es war nur eine sehr flüchtige Begegnung. Ich erkenne sie zwar auf dem Bild wieder, an Details kann ich mich aber nicht mehr erinnern, weil ich nicht mit ihr gesprochen habe. Die beiden andern habe ich jedoch noch nie gesehen. Aber warum fragen Sie?«
»Gleich. Was wissen Sie von Herrn Lewell und von Dr. Maibaum?«
»Nun, über Lewell möchte ich nicht allzu viel sagen, er ist ein Schürzenjäger, und ich kann ihn nicht besonders leiden, was eher untertrieben ist. Er macht vor keiner Frau Halt, egal ob ledig oder verheiratet. Maibaum hingegen ist in Ordnung. Sehr intellektuell, wie es sich für den Leiter einer Uni gehört, eher still und zurückhaltend, aber sympathisch. Er hat, soweit ich weiß, auch zu Judiths Kunden gezählt, aber sicher bin ich nicht. Es ist auch egal, ob er ihr Kunde war oder nicht«, fügte Kleiber hinzu, »denn alle, die zu ihr gegangen sind, sind auf irgendeine Weise nicht glücklich mit ihrem Leben. Und Maibaum macht auf mich alles andere als einen glücklichen Eindruck. Er ist sehr ernst … Aber noch mal, was ist mit diesen Frauen?«
»Zuerst noch eine Frage. Hat Lewell ebenfalls zu Frau Kassners Kunden gehört?«
»Keine Ahnung. Ich hoffe nicht. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, dass sie ihn an sich rangelassen hätte. Und jetzt sagen Sie schon, was es mit diesen Frauen auf sich hat?«
»Sie wurden alle auf die gleiche Weise getötet wie Frau Kassner.«
Einen Moment herrschte Stille, es schien, als würde Kleiber erst ganz allmählich die letzten Worte der Kommissarin begreifen. »Heißt das, Judith ist das Opfer eines Serienmörders geworden?«, fragte er mit kehliger Stimme und zu Schlitzen verengten Augen.
»Genau das heißt es.«
»Wie wurde sie umgebracht?«
Durant zögerte mit der Antwort, sagte aber dann schließlich: »Sie wurde erdrosselt. Weitere Details dürfen wir Ihnen im Moment leider nicht mitteilen. Es ist jedoch sicher, dass sie in die Reihe passt.«
»Wurde sie sexuell …«
»Nein, sie war angezogen, als wir sie gefunden haben. Und die Autopsie hat auch keinerlei Hinweise auf sexuelle Gewaltanwendung ergeben.«
»Ich schreibe seit fünfzehn Jahren Kriminalromane, doch ich hätte nie vermutet, einmal in der Realität mit einem Mord konfrontiert zu werden. Und dann auch noch an einem Menschen, der mir so viel bedeutet hat. Was für eine schreckliche Welt.«
»Stoff für einen neuen Roman«, bemerkte Hellmer, der sofort das Fettnäpfchen sah, in das er hineingetreten war, und verlegen zur Seite schaute.
»Mein Kollege ist manchmal etwas sehr direkt«, sagte Durant.
»Er meint es aber nicht so.«
»Das macht nichts«, erwiderte Kleiber mit einem vergebenden Lächeln. »Vielleicht werde ich tatsächlich eines Tages einen Roman darüber schreiben. Es gibt nichts, was die Seele so befreit wie das Schreiben. Ich weiß nicht, ob Sie jemals etwas von mir gelesen haben, aber Sie glauben gar nicht, wie viel Autobiographisches in jedem meiner Bücher steckt.«
»Doch, ich kann es mir vorstellen«, entgegnete Durant. »Und ichhabe einige Ihrer Bücher gelesen. Sie sind sehr außergewöhnlich und im Gegensatz zu den meisten Kriminalromanen erfreulich realistisch. Und wenn ich noch hinzufügen darf, ich hab keine Lust mehr, immer nur amerikanische oder englische Autoren zu lesen. Ich wundere mich jedes Mal, weshalb die so hochgehalten werden. Ich bin ehrlich gesagt schon lange diesen Schwachsinn leid, die amerikanische Bestsellerautoren so fabrizieren. Es ist immer der gleiche Müll.«
»Danke, es ehrt mich, dies aus so berufenem Munde zu hören«, sagte er charmant lächelnd.
»Gibt es eigentlich ein neues Buch von Ihnen?«
»Es erscheint zwar erst im Januar, aber ich habe bereits einige Exemplare hier. Warten Sie, ich gebe Ihnen eines mit.« Er verschwand nach draußen, kehrte kurz darauf mit einem Buch zurück und reichte es Durant. »Bitte schön. Und viel Spaß beim Lesen.«
»Könnten Sie mir auch eine Widmung reinschreiben?«
»Mit Vergnügen. Wenn ich Ihren Vornamen haben dürfte?«
Sie nannte ihn ihm, nahm das Buch und reichte Kleiber die Hand.
»Es hat mich sehr gefreut, Sie kennen gelernt zu haben. Auf Wiedersehen, und sollte Ihnen noch
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