Der Jäger
etwas einfallen, was uns bei der Aufklärung behilflich sein könnte, dann rufen Sie mich an. Hier ist meine Karte.«
Kleiber warf einen Blick darauf und steckte sie in seine Hemdtasche. »Was wird jetzt mit der Wohnung geschehen?«, fragte er die Kommissarin.
»Keine Ahnung. Judith hat, soweit mir bekannt ist, keine Verwandten.«
»Dann würde ich sie gerne kaufen. Verrückt, ich weiß, ein und dieselbe Wohnung ein zweites Mal zu kaufen. Und ich würde mich freuen, wenn ich sie samt dem Inventar bekommen könnte. Meinen Sie, das wäre möglich? Es hängen eine Menge Erinnerungen daran.«
»Mal sehen, was sich machen lässt. Aber im Grunde sollte dem nichts im Wege stehen.«
»Ich begleite Sie nach draußen. Und wenn Sie meine Hilfe brauchen, ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung. Sie haben ja meine Telefonnummer.«
»Nur die vom Handy.«
»Warten Sie, ich gebe Ihnen meine Karte. Dort steht alles drauf, auch meine E-Mail-Adresse.«
Als sich das Tor hinter ihnen schloss, blieb Kleiber noch einen Augenblick stehen und wartete, bis Durant und Hellmer in ihren Wagen eingestiegen waren. Hellmer startete den Motor und fuhr los. Kleiber ging zurück ins Haus. Seine Frau, die die Treppe herunterkam, sah ihn fragend an.
»Was wollten die von dir?«
»Es geht um ein paar Morde an Frauen«, antwortete er. »Du kennst sie auch, Judith Kassner und Carola Weidmann.«
»Und was hast du damit zu tun?«
»Sie überprüfen im Augenblick alle Personen, die sie gekannt haben. Und ich beziehungsweise wir gehören auch dazu. Aber ich konnte ihnen leider nicht weiterhelfen.«
»Und das hat so lange gedauert?«, fragte sie zweifelnd.
Kleiber nahm seine Frau in den Arm und sagte lachend, obwohl ihm zum Heulen zumute war: »Du weißt doch, Polizisten sind auch nur Menschen. Sie wollten wissen, wie das ist, Bücher zu schreiben. Sie haben gefragt, und ich habe geantwortet. Die Kommissarin hat gemeint, sie wollte schon immer mal ein Buch schreiben. Ich habe ihr gesagt, sie soll’s versuchen, aber ich habe ihr verschwiegen, dass man dazu nicht nur Ideen braucht, sondern auch das nötige Talent. Na ja, jetzt sind sie weg, und ich kann mich wieder an meinen Schreibtisch setzen.«
Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, strich ihr kurz übers Haar und stieg die Treppe hinauf. Oben schloss er die Tür des Arbeitszimmers hinter sich, stellte sich ans Fenster und schaute hinausin den Garten. Er verharrte einige Minuten, dann drehte er sich um, zog die unterste Schublade seines Schreibtischs heraus und nahm einen Ordner aus der Mitte eines Stapels in die Hand. Er schlug ihn auf und betrachtete lange das Bild, das auf der Innenseite des Deckels klebte. Es zeigte das Gesicht von Judith Kassner. Er setzte sich in seinen Sessel und weinte.
Dienstag, 16.30 Uhr
»Sag mal, kaufst du dem Typ die Story ab von wegen, er hätte die Kleine nicht gevögelt?«, fragte Hellmer, als sie sich auf den Weg zu van Dyck machten.
»Warum nicht? Er ist ein sehr außergewöhnlicher Mann. Er gefällt mir irgendwie. Seine Ehrlichkeit, seine Offenheit. Und vielleicht gibt es ja doch so etwas wie Freundschaft zwischen Mann und Frau. Ich muss die ganze Zeit an diesen Film
Harry und Sally
denken, in dem Harry immer sagt, es sei nicht möglich, dass ein Mann und eine Frau nur Freunde sein können, ohne dass jemals Sex ins Spiel kommt. Kennst du den Film?«
»Nee, aber ich kenne einen Schwulen, der der beste Freund einer Frau ist …«
»Das ist nicht das Gleiche«, unterbrach ihn Durant. »Kleiber macht auf mich einen sehr sensiblen, einfühlsamen Eindruck. Was man eigentlich hinter einem Schriftsteller, der Kriminalromane schreibt, gar nicht vermuten möchte. Aber das ist jetzt auch egal, denn wir haben zum ersten Mal den Hauch einer Verbindung zwischen zwei Opfern. Die Weidmann und die Kassner haben sich meiner Meinung nach gekannt. Wie gut, wissen wir nicht, wir wissen nur, dass Maibaum allem Anschein nach ebenfalls Kunde von der Kassner war. Und dieser Lewell möglicherweise auch. Und jetzt bin ich echt gespannt, was die uns zu erzählen haben.«
»Wollten wir nicht eigentlich erst zu diesem van Dyck?«, fragte Hellmer.
»Klar. Aber Maibaum und Lewell interessieren mich eigentlich noch viel mehr. Von van Dyck wollen wir ja im Prinzip nur wissen, ob er die Kassner in der letzten Zeit gevögelt hat.«
»Und wenn?«
»Dann wissen wir’s. Was ist der noch mal von Beruf?«
»Filmproduzent.«
»Ach ja, stimmt, er hat ja gesagt, er sei noch im
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