Der Jäger
und unendlich traurig. Ich habe Judith geliebt, und sie hat mich geliebt, so wie ich bin. Als unvollkommenes Individuum, bewundert von meinen Lesern und innerlich doch so unvollkommen und verwundbar. Aber sie hat mich als Mensch geliebt und akzeptiert.«
Er drehte sich um, kam auf die Beamten zu, blieb kurz vor ihnen stehen und sah sie mit traurigem Blick an, bevor er sich wieder setzte. Er hatte erneut Tränen in den Augen, deren er sich jetzt nicht mehr schämte.
»Haben Sie ihr die Wohnung gekauft?«, fragte Durant vorsichtig, weil sie spürte, wie verletzbar Kleiber in diesem Augenblick war.
Er nickte, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und stützte den Kopf in beide Hände.
»Ja, ich habe ihr die Wohnung gekauft, obwohl sie nie den Anschein machte, als würde sie irgendwelche finanziellen Interessen verfolgen. Und wenn, dann hat sie es sehr geschickt verborgen. Nun, das ist Schnee von gestern. Sie sollte es einfach schön haben. Natürlich wusste ich auch von ihrer anderen Wohnung in Frankfurt, in der sie zusammen mit einer Freundin lebte, aber diese Wohnung war ein Ort, an dem wir uns so oft sehen und miteinander sprechen konnten, wie wir wollten. Zwar empfing sie dort, wenn sie sich nicht gerade mit jemandem in einem Hotel traf, bisweilen auch andere Männer, aber so seltsam das klingen mag, es hat mir nichts ausgemacht. Sie hat diese Männer ja nicht geliebt, sie hat ihnen einen Teil ihres Körpers gegeben, aber niemals ihren Geist oder ihre Seele. Sie hat mir einmal gesagt, sie liebe Sex, aber nicht die Männer, mit denen sie es mache. Und sie hat sich ihre Männer immer sehr sorgfältig ausgesucht. Soweit ich weiß, war keiner darunter, vor dem sie Abscheu empfand. Sie machte es nur mit solchen, die auf irgendeine Weise vom Leben enttäuscht waren und denen sie mit ihrer Zärtlichkeit ein wenig Mut mitgeben konnte. Ich weiß auch, dass diese Männer sehr gut bezahlt haben, aber sie hat es verdient.«
Er schüttelte den Kopf, sah Durant direkt in die Augen und ballte die Fäuste.
»Sie war keine Hure im herkömmlichen Sinn, sie hatte keine schmutzigen Gedanken, ihre Sprache war sauber und klar, und hätten Sie sie je kennen gelernt, Sie hätten es nur bestätigt. Sie war liebenswürdig, offen, freundlich, und obwohl sie ihren Körper verkauft hat, strahlte sie immer etwas Reines aus. Seit ich sie kannte, habe ich mich oft gefragt, wie sich all diese Eigenschaften vereinen ließen, da ich selbst mit meiner größten Phantasie nie in der Lage war, eine solche Person zu beschreiben, aber sie war im wahrsten Sinne des Wortes eine Heilige und eine Hure.« Mit einem Mal lächelte er, hielt kurz inne und fuhr dann mit verklärtem Blick fort: »Im alten Griechenland gab es Liebesdienerinnen,so genannte Hetären, die nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern auch in allen Bereichen des kulturellen und politischen Lebens bewandert sein mussten. Ich habe Judith komischerweise ein paar Mal mit diesen Hetären verglichen, weil sie sich eben nicht nur so sehr von gewöhnlichen Frauen, sondern auch von normalen Huren unterschieden hat. Ein Beleg dafür ist, dass sie eine ausgezeichnete Studentin war, hochintelligent, geradezu begnadet, und vielleicht war es diese Intelligenz, gepaart mit einer schweren Jugend, die sie so reif machte. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass sie aus recht einfachen Verhältnissen stammte, aber sie hatte zeit ihres Lebens ein sehr inniges Verhältnis zu ihrer Mutter. Sie hat mir einmal erzählt, dass sie wusste, dass ihre Mutter sterben würde. Sie hatten oft nächtelang zusammengelegen, um über Gott und die Welt zu philosophieren. Und irgendwann hat ihre Mutter ihr gesagt, dass bald ein wichtiges Ereignis in ihrer beider Leben eintreten würde. Kurz darauf hatte Judith einen Traum, in dem sie deutlich den Tod ihrer Mutter vorausgesehen hatte. Aber im Gegensatz zu den meisten andern, die an ihrer Stelle gewesen wären, versank sie nicht in Selbstmitleid oder nicht endender Trauer, sondern sie hatte ein Ziel, sie wollte ganz nach oben, sie wollte studieren, sie wollte die Beste sein. Doch nicht wie so viele andere durch tricksen und betrügen, nein, das hatte sie nicht nötig. Sie war in allem, was sie tat, ehrlich, und sie war einfach die Beste.«
Er hielt inne, presste die Lippen zusammen, stand auf, schenkte sich ein weiteres Glas Whiskey ein und fragte Durant und Hellmer, ob sie auch einen wollten, was beide dankend ablehnten.
»Ich werde Judith immer lieben. Zum Glück
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