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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gibt es die Erinnerung, und in dieser wird sie ewig fortleben.« Er trank sein Glas aus, stellte es auf den Tisch, dann holte er seine Pfeife aus der Hemdtasche und ein Päckchen Tabak aus einer Schublade der Anrichte, stopfte sie und zündete sie an. Er paffte ein paar Mal, bis die Glut den gesamten Tabak erfasst hatte.
    »Wann und wo haben Sie Frau Kassner kennen gelernt?«, fragte Durant.
    »Das kann ich Ihnen genau sagen, es war am 6. September 97, einem Samstag. Ein Bekannter von uns hat eine Gartenparty gegeben. Meine Frau hat sich gleich abgesondert, um sich mit ihm zu unterhalten. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Name Lewell etwas sagt, er ist Esoteriker und Lebensberater, was immer das auch sein mag, und meine Frau hat, seit ich sie kenne, einen esoterischen Tick. Aber das nur am Rande. Es war ganz seltsam, Judith ist mir sofort aufgefallen, inmitten all der Menschen. Und ich fühlte mich einfach zu ihr hingezogen, obwohl ich wusste, dass sie vielleicht nur halb so alt war wie ich. Aber sie hatte eine Ausstrahlung, die mich, im wahrsten Sinne des Wortes, einfach umgehauen hat. Wir haben uns fast den ganzen Abend unterhalten, und ich habe sofort gespürt, dass wir nicht nur auf der gleichen Wellenlänge funkten, sondern dass auch eine besondere Verbindung zwischen uns bestand. Wir haben uns schon zwei Tage später wiedergesehen, in einem Hotel. Sie hatte geglaubt, ich wäre in der Absicht gekommen, um mit ihr zu schlafen, doch es endete damit, dass wir wieder nur den ganzen Abend geredet haben. Sie war sehr offen, sie wusste wohl, dass sie es mir gegenüber sein konnte. Wir sahen uns immer öfter, und da habe ich beschlossen, ihr diese Wohnung zu kaufen. Ab da haben wir uns zwei-, manchmal auch dreimal in der Woche gesehen. Wir sind auch essen gegangen oder ins Kino, aber egal, was immer wir auch machten, es wurde stets zu etwas Besonderem, weil sie dabei war.«
    »Wusste Ihre Frau von diesem Verhältnis?«
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete Kleiber mit einem zaghaften Lächeln, »sie hätte es nicht verstanden. Frauen verstehen so etwas nie. Selbst wenn sie gewusst hätte, dass es ein rein platonisches Verhältnis war, so hätte sie es doch als Ehebruch oder zumindest Untreue ausgelegt. Sie hätte gedacht, ich würde sie nicht mehr lieben, was nicht stimmt, was nie gestimmt hat, denn ichliebe sie und möchte sie niemals verlieren. Aber ich wollte Judith ebenfalls nicht verlieren, auch wenn mir klar war, dass es eines Tages vorbei sein würde. Irgendwann hätte sie den für sie bestimmten Mann kennen gelernt, hätte geheiratet und wahrscheinlich Kinder bekommen. Wer weiß. Vielleicht bin ich auch nur einer von diesen durchgeknallten Schriftstellern, die Realität und Fiktion nicht mehr auseinander halten können.«
    »Und was werden Sie Ihrer Frau sagen, weshalb wir mit Ihnen allein sprechen wollten?«
    Kleiber zuckte die Schultern und zog an seiner Pfeife. »Keine Ahnung. Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Vielleicht sage ich ihr einfach nur, dass meine Telefonnummer bei irgendeinem Mordopfer gefunden wurde und Sie sich nicht erklären können, wie derjenige an diese Nummer gelangt ist. Ich werde einen Namen erfinden, was mir als Schriftsteller nicht schwer fallen sollte. Vielleicht sage ich ihr aber auch die Wahrheit. Sie hat Judith schließlich gekannt.«
    »Das müssen Sie wissen«, entgegnete Durant lächelnd. »Eine letzte Frage noch, bevor wir gehen. Sagen Ihnen die Namen Carola Weidmann, Juliane Albertz und Erika Müller etwas?«
    »Nein, sollten sie?« Doch plötzlich hielt er inne, kräuselte die Stirn, stand auf, ging erneut ans Fenster und fasste sich mit einer Hand an die Nase. »Weidmann, Weidmann, natürlich sagt der Name mir etwas. Ich bin im Augenblick ein wenig durcheinander. Herrn und Frau Weidmann kenne ich sogar recht gut. Ihre Tochter habe ich allerdings nur einmal gesehen. Es war eine flüchtige Begegnung, ich meine, es war sogar auf dieser Party.« Er zögerte, wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. »Es könnte allerdings auch bei Maibaum gewesen sein. Ich weiß nur von Erzählungen, dass sie letztes Jahr getötet wurde.«
    »Meinen Sie, dass Frau Weidmann und Frau Kassner sich gekannt haben?«
    »Das ist anzunehmen. Zumindest vom Sehen. Ich könnte mirallerdings auch vorstellen, dass sie in Kontakt miteinander gestanden haben, schließlich müssen sie in etwa gleich alt gewesen sein. Haben Sie vielleicht ein Foto von ihr?«
    Julia Durant war innerlich zum Zerreißen

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