Der Jäger
Er lachte bitter auf, als hätte sie eben einen schlechten Witz gemacht. In ihm brodelte es, sein stechender Blick drang in sie, als wollte er sie verletzen. »Das kannst du jedem erzählen, nur mir nicht! Und ja, in der Beziehung bin ich ein Hellseher, und dein Horoskop und auch deine Handlinien zeigen ganz eindeutig, dass du sogar zu außerordentlich großer Liebe fähig bist … Nur schade, dass ich nicht derjenige bin, den du liebst«, fügte er zynisch hinzu. »Was hat dein Mann so Besonderes an sich, dass du ihn nicht verlassen kannst? Ist sein Schwanz so groß, oder …«
»Du wirst ausfallend. Mir ist es noch nie auf
diese
Größe angekommen. Ihr Männer seid immer nur auf dieses kleine Ding zwischen euren Beinen fixiert, und jeder von euch denkt, er sei ein Stück zu kurz gekommen, oder sollte ich besser sagen, zu kurz geraten? Ihr stellt Vergleiche an, und doch behauptet jeder von euch, den größten Schwanz zu haben. Dabei ist das den meisten Frauen so egal. Uns kommt es auf etwas ganz anderes an.«
»Tja, und ich dachte tatsächlich, wir würden eines Tages …«
»Jeder kann sich irren«, unterbrach sie ihn. »Und wir können auch von jetzt auf gleich das Verhältnis beenden«, sagte sie kühl und drehte sich um. Sie holte ihren Mantel und legte ihn über den Arm.
Lewell saß noch immer auf der Couch, er hatte sich ein zweites Glas Wein eingeschenkt.
»Sei nicht traurig«, sagte sie auf einmal sanft. »Das Leben ist manchmal ungerecht, ich weiß es. Es ist sogar ein verdammt ungerechtes Leben. Und vielleicht solltest du dir mein Horoskop noch einmal genau anschauen. Mach’s gut, ich melde mich morgen bei dir.«
»Hm, bis morgen.« Er stand auf und begleitete sie zur Tür. Ohne sich umzudrehen, ging sie zu ihrem Wagen, stieg ein und startete den Motor. Sie rollte rückwärts aus der Einfahrt auf die Straße. Er blieb an der Tür stehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, den Blick starr auf ihren Wagen gerichtet, bis ihre Rücklichter nicht mehr zu sehen waren.
Dann knallte er die Tür mit dem Absatz zu, ging ins Wohnzimmer und warf das noch halb volle Glas Wein wütend an die Wand. Er trank ein halbes Wasserglas Wodka mit Zitrone, was half, seine Wut, die sich innerhalb weniger Sekunden zu unbändigem Zorn steigerte, zu lindern. Er ballte die Fäuste, hätte alles kurz und klein schlagen können, hatte aber in den letzten Jahren gelernt, diese Form des Jähzorns, die früher häufig in wüsten Gewaltausbrüchen endeten, zu unterdrücken.
Dennoch hasste er Tage wie diese, er hasste es, eine Abfuhr erteilt zu bekommen, ganz gleich, von wem, wenn etwas zunichte gemacht wurde, auf das er sich gefreut hatte. Er verengte die Augen zu Schlitzen, seine Kiefer mahlten aufeinander. Seit er ein Kind war, konnte er es nicht ertragen, wenn seine Pläne über den Haufen geworfen wurden, wenn sich jemand anmaßte, eigene Regeln aufzustellen und seine zu missachten. Er überlegte, erhob sich, nahm die Lederjacke vom Haken und die Autoschlüssel von der Kommode. Gleich darauf setzte er sich in seinen neuen Porsche, ließ den Motor aufjaulen, fuhr langsam auf die Straße, gab Gas und raste mit quietschenden Reifen davon. Er wusste nicht, wohin er fahren würde, er hatte kein Ziel. Noch nicht.
Mittwoch, 8.00 Uhr
Julia Durant wachte bereits um sechs Uhr auf, lange bevor der Wecker klingelte, blieb noch eine halbe Stunde im Bett liegen, hörte Musik und dachte über den vor ihr liegenden Tag nach. Siewar nur einmal um kurz nach drei aufgewacht, weil sie auf die Toilette musste, war aber gleich danach wieder eingeschlafen. Um kurz nach halb sieben stand sie auf, stellte den Wasserkocher an und ging ins Bad, um sich frisch zu machen. Im Gegensatz zu ihrer sonstigen Gewohnheit frühstückte sie diesmal gut und ausgiebig, eine Banane, Cornflakes mit Milch und Zucker, zwei Tassen Kaffee, rauchte danach eine Gauloise und las dabei die Zeitung. Nach dem Frühstück räumte sie noch die Küche auf, bevor sie um kurz vor halb acht die Wohnung verließ.
Sie traf noch vor den meisten anderen Beamten im Präsidium ein, nur Berger und Christine Güttler waren bereits da. Sie hängte ihre Tasche über den Stuhl und zündete sich eine Zigarette an, ehe sie in Bergers Büro ging.
»Guten Morgen, Frau Durant«, wurde sie von Berger begrüßt, der sich zurückgelehnt hatte.
»Morgen«, erwiderte sie und setzte sich. »Was Neues?«
»Es war ausnahmsweise eine ruhige Nacht. Und wie lange sind Sie noch im Büro
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