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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sich vor sechs Jahren gekauft. Von seinem Wohnzimmerfenster aus hatte er bei schönem Wetter einen herrlichen Blick auf das tief im Tal gelegene Frankfurt. Dreimal in der Woche kam eine spanische Putzfrau vorbei, alle zwei Wochen der Gärtner. Es war sein Reich, sein Schatz, den ihm keiner mehr nehmen konnte, wo er sich wohl fühlte, wo er seine Klienten empfing, wo ihm niemand sagte, was er wann zu tun hatte. Er war ein freier, glücklicher Mann.
    Ein Blick auf die Uhr, kurz nach zehn. Er wunderte sich, dass sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit noch nicht da war, setzte sich in den Sessel und begann seine Pfeife zu stopfen, als die Türglocke anschlug. Er legte die Pfeife auf den Tisch, erhob sich und ging zur Tür. Sie stand lächelnd vor ihm, trat an ihm vorbei, einen Schwall ihres sündhaften Parfums hinter sich herziehend. Er half ihr aus dem Mantel und hängte ihn an die Garderobe.
    Sie trug ein bis über die Knie reichendes figurbetontes ärmelloses rotes Kleid, und eine schlichte Goldkette mit einem Diamanten hing um ihren Hals. Sie ließ sich auf die Couch fallen und legte die Beine hoch.
    »Hast du ein Glas Wein?«, fragte sie. »Einen Beaujolais vielleicht?«
    »Für dich habe ich immer einen Beaujolais. Du siehst übrigens wieder hinreißend aus. Wie lange hast du Zeit?«, fragte er und holte die Flasche und zwei Gläser aus dem Schrank.
    »Leider nicht lange. Ich muss bald wieder gehen. Es tut mir Leid.« Sie setzte sich auf, nahm das Glas, trank einen Schluck und sah ihn sanft lächelnd an, als würde sie ihn um Verzeihung bitten, ihm an diesem Abend nicht zur Verfügung zu stehen.
    »Warum?«, fragte er enttäuscht. »Ich dachte …«
    »Ich habe auch gedacht, ich hätte heute mehr Zeit, aber meiner Mutter geht es nicht gut, und ich muss sie noch anrufen.«
    »Das kannst du auch von hier machen.«
    »Nein, das möchte ich nicht«, sagte sie plötzlich in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Lass uns den Abend auf nächste Woche verschieben. Wir haben noch so viel Zeit. Komm, erzähl, wie war dein Tag heute? Hast du viele Horoskope erstellen müssen?«
    »Nur drei«, antwortete er mit beleidigter Miene und trank sein Glas leer. Er zuckte die Schultern, ihr Blick besänftigte ihn. »Die anderen wollten fast alle nur die Karten gelegt haben. Aber du weißt ja, der Wunsch meiner Klienten ist mir Befehl … Und du kannst wirklich nicht wenigstens eine Stunde bleiben?«
    »Und die kaufen dir tatsächlich ab, was du ihnen erzählst?« Sie sah ihn mit einem vielsagenden Lächeln an, nahm einen Schluck und ließ seine letzte Frage unbeantwortet.
    »Warum nicht? Du glaubst doch selbst an diese höheren Mächte, sonst würdest du nicht so regelmäßig kommen. Oder hast du mir das nur vorgegaukelt?«
    »Weiß nicht«, antwortete sie achselzuckend. »Ich denke, es ist schon was dran. Wie heißt es so schön, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit erträumen lässt. So wird’s wohl auch sein.« Sie trank ihr Glas aus, behielt es aber in der Hand, sah zu Boden und wirkte ernst. Lewell setzte sich neben sie, streichelte über ihr Haar. Er liebte ihren Duft, besonders den ihres Haares. Er liebte es, wenn sie ihn streichelte, er mochte sie gerne ansehen, wenn sie sich liebten, wenn der weiche Flaum auf ihren Armen und Beinen sich bei Erregung aufstellte. Sie war jung, sie war schön und über die Maßen begehrenswert.
    Nach nur einer Viertelstunde erhob sie sich, strich ihr Kleid glatt und sagte: »Es tut mir entsetzlich Leid, dir den Abend vermasselt zu haben, aber ich muss wirklich nach Hause.«
    »Schade«, entgegnete er und meinte es ernst, hatte er sich doch auf diesen Abend gefreut. »Telefonieren wir morgen?«
    »Ich ruf dich an.« Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn leidenschaftlich. Gerade als sie sich umdrehen wollte, hielt er sie am Arm fest.
    »Beantworte mir bitte noch eine Frage, bevor du gehst. Warum verlässt du deinen Mann nicht?«
    Sie zögerte einen Moment. »Es geht nicht.«
    »Und warum nicht? Wie kannst du immer hierher kommen, ihn aber auf der andern Seite nicht verlassen? Bist du an ihn gefesselt?«
    »Ich habe dir schon einmal gesagt, ich komme nicht, weil ich dich liebe. Es gibt andere Gründe.«
    »Liebst du
ihn
denn?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht ist gerade das mein Problem, wie immer du das auch auslegen magst. Denk mal drüber nach, du Hellseher«, sagte sie mit spöttischem Blick.
    »Meinst du damit, du könntest nicht lieben?«

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