Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
war und ihre Augen unnatürlich glitzerten.
    Als er sich wieder dem Pferdeknecht zuwandte, stand dieser bereits im Eingang zu Radolfs Kammer. »Ich gehe jetzt«, sagte er. »Ihr kommt ja ohne mich zurecht.«
    Philipp machte den Mund auf, aber der Pferdeknecht wartete nicht auf seine Antwort. Er schlüpfte hinaus und verschwand lautlos.
    Philipp holte die Decke aus der Truhe und warf sie über Radolfs säuerlich stinkenden Körper. Er dachte daran, das Gesicht und den Oberkörper des Burgherrn zu säubern,aber er brachte es nicht über sich. Schließlich zog er ihm nur die Decke bis über die Schultern, und Radolf griff im Schlaf danach und rollte sich hinein.
    Die Geräusche, mit denen in der Küche der neue Tag begrüßt wurde, weckten Philipp zum zweitenmal. Der Geruch frisch entfachten Kaminfeuers und von erhitzten Kräutern stieg ihm in die Nase. Gähnend richtete er sich aus seiner Ecke auf und starrte in das trübe Halblicht, das durch das Kaminfeuer und eine brennende Öllampe, die an einer langen Kette von der Decke hing, geschaffen wurde. Die alte Frau stapfte in der Küche herum und machte ein finsteres Gesicht; diesmal war ein Mädchen in ihrer Begleitung, das seiner Kleidung nach aus dem Dorf stammen mußte. Das Mädchen drehte sich zu Philipp um, als es ihn hörte, und betrachtete ihn gleichmütig; ihr Gesicht war noch nicht so altjung wie die der Erwachsenen ihres Dorfes, aber die Stumpfheit ihres Daseins hatte bereits erste Spuren hineingeprägt. Philipp versuchte, sie anzulächeln, aber ihre Züge zeigten keine Reaktion. Schließlich wandte sie sich ab und ging wieder ihrer Beschäftigung nach.
    Philipp seufzte und stand auf. In seinem Wams staken einzelne Strohhalme, und er zupfte sie gewissenhaft heraus. Selbst in seinem Mund schien Stroh zu sein, und er kaute mißmutig auf dem schlechten Geschmack herum. Er folgte dem Duft der heißen Kräuter und sah, daß das Mädchen ein Büschel davon auf der Bank liegen hatte, die sich an einer der Seitenwände der Küche entlangzog. In einer tiefen Schüssel schwammen weitere Kräuter in Wasser herum, das so heiß war, daß es dampfte. Philipp zupfte einpaar Minzenblätter aus dem unberührten Kräuterbüschel heraus und steckte sie in den Mund; das Mädchen griff hastig nach dem Rest des Büschels und warf es in das heiße Wasser. Philipp grinste sie mit den Blättern zwischen den Zähnen an.
    »Was machst du hier?« fragte er sie. »Ein Fußbad?«
    »Einen Aufguß«, murmelte das Mädchen scheu.
    »Hier, das ist für Euch«, krächzte die alte Frau neben ihm. Sie schob ihm eine Schale Wasser zu, und er tauchte dankbar seine Hände hinein und spritzte sich das Wasser ins Gesicht. Er fühlte sich schmutzig und hätte sich gerne gewaschen, aber die Anwesenheit der beiden weiblichen Wesen machte es unmöglich. Er ließ sein Gesicht und sein Haar über der Schüssel abtropfen und schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund, um die letzten Tropfen loszuwerden. Als er wieder aufsah, reichte ihm die alte Frau einen weißen Käsebrocken.
    »Danke«, sagte Philipp und erntete ein schwaches Lächeln, das weniger ein Lächeln als vielmehr ein verringerter Grad an Mißmutigkeit im Gesicht der alten Frau war. Er biß auf den Käse, der in seinem Mund vor Dürre zu zersplittern schien und sofort sämtliche Feuchtigkeit auf seiner Zunge austrocknete. Nach dem frischen Geschmack der Minze lag er in Philipps Mund wie ein Brocken Mörtel.
    »Sehr gut«, mummelte Philipp mit vollen Backen und machte, daß er aus der Küche kam.
    Das Licht in der Aula im ersten Geschoß war nur geringfügig besser als in der Küche. Durch die Fensteröffnungen konnte der Tag hereindringen, aber es war noch zu früh am Morgen, als daß er den düsteren Saal wirklich erhellt hätte. Das Licht sickerte grau durch die hohen Öffnungen. Schriller Vogelgesang war von draußen zu hören. Philippging zögernd an der Decke vorbei, die den Zugang zu Radolfs Kammer verhängte, und trat zu einem der Fenster. Als er den Kopf nach draußen streckte, spürte er die beginnende Wärme des Tages auf seinem Gesicht, die noch nicht bis in das klamme Innere des Hauses vorgedrungen war. Der Vogelgesang war jetzt noch lauter. Er blickte nach rechts und sah die dunkle Mauer des Waldes, die hinter der Hauswand aufragte, noch gestaltlos im Morgendämmer und von einzelnen Nebelschwaden durchzogen. Direkt unter sich sah er die Abfallöffnung der Küche; Philipp ließ das Stückchen Käse auf den kleinen Haufen fallen, der

Weitere Kostenlose Bücher