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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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schwieg. Er fühlte sich enttäuscht. Er hatte erwartet, daß er über das offensichtliche Ende dieses unliebsamen Auftrags, noch bevor er richtig begonnen hatte, erfreut sein müßte, aber er war es nicht. Erstaunt erkannte er, daß er gerne noch in Dionisias Nähe geblieben wäre.
    So bissig sie sich bei ihrer ersten Begegnung im Dorf gezeigt hatte, so hilflos und verwundbar war sie ihm gestern nacht erschienen. Er fragte sich, was sie tun würde, wenn Radolf wieder nackt und erregt vor dem Haus auf dem Boden läge und er nicht da wäre. Radolf schniefte und sah zu Philipp auf. Sein Gesicht war jetzt feucht von Dampf und Schweiß.
    »Hat Dionisia dir gestern nacht noch alles gezeigt, was sie zu zeigen hatte?« fragte er.
    Philipp schüttelte überrascht seine immer konfuser werdenden Gedanken ab.
    »Wie meint Ihr das?« erkundigte er sich argwöhnisch.
    »Na, sie hat dir immerhin ein Lager in der Küche angeboten. Ich nehme an, sie hat dir erklärt, wo du alles in meinem Haus finden kannst.« Radolf grinste freudlos zwischen seinen Fingern hindurch.
    »Eure Tochter war sehr freundlich«, sagte Philipp in Ermangelung irgendeiner geistreicheren Antwort.
    »Sie kann außergewöhnlich ... freundlich sein«, murmelte Radolf kryptisch. »Wenn dir das eine Belohnung für deine Arbeit hier ist.«
    Er wischte sich mit beiden Händen über das feuchte Gesicht, als würde er damit seinen kurzen Ausflug zu Philipps Wohlergehen wegwischen und wieder zur Sache kommen; Philipp ließ er dabei mit einem Wirbel halbgedachter Vermutungen zurück, die allesamt nicht besonders erfreulich waren und sich weigerten, zu Ende gedacht zu werden.
    »Sonst noch eine gute Idee, was die Dokumente betrifft, Pferdefreund?« brummte Radolf.
    »Nein«, sagte Philipp wie betäubt.
    »Du kannst zum Morgenmahl bleiben«, sagte Radolfzusammenhanglos. Philipp wandte sich zum Gehen. Der Kräutergeruch wurde ihm plötzlich zuviel. Radolfs Gegenwart wurde ihm zuviel.
    »Pack das hier weg«, sagte Radolf und reichte ihm die Decke, in die er sich gewickelt hatte. »Sie gehört in die Truhe dort.«
    Beinahe hätte Philipp hervorgestoßen: Ich weiß; ich hab’ sie dort herausgeholt, während du in deiner eigenen Kotze lagst. Er schluckte es hinunter, öffnete den Deckel der Truhe und faltete die Decke wieder dort hinein, wo er sie gestern nacht entnommen hatte. Dann verließ er die Kammer. Insgesamt war ihm nach diesem Gespräch nur eines vollkommen klar geworden: daß Radolf sich nicht mehr erinnern konnte, was in der Nacht vorgefallen war. Irgendwie diente diese Entdeckung nicht dazu, Philipps Unruhe zu lindern.
    Er stolperte in den Saal hinaus, und als dieser ihm noch zu eng erschien, durch den donjon ins Freie. Der Morgen war mittlerweile angebrochen, die Sonne ein heller Ball über den Baumwipfeln des Waldes. Der Himmel im Osten war frei und leuchtete golden, aber im Westen lagen die dichten Wolkenfelder übereinander, die der kalte Wind herangeführt hatte. Es war nur ein Wolkenloch, das der Morgensonne erlaubte, zur Erde durchzudringen, und das goldfarbene Licht, das sie ausstrahlte, ließ die Regenwolken auf der anderen Seite des Firmaments in drohendem Indigo erstrahlen. In der warmen Morgensonne bemerkte Philipp, daß er im Inneren des Hauses gefroren hatte; er streckte die Arme aus und drehte sich um, damit ihn die Sonne überall bescheinen konnte.
    Dionisia stand auf dem Weg und betrachtete ihn.
    Das hohe, ungepflegte Gras, das den Hof bis zur Böschung bedeckte, funkelte im Licht, das die unzähligen Tautropfen widerspiegelten, und machte es schwierig, sie anzusehen, ohne die Augen zusammenzukneifen. Um ihr Haar lag ein strahlender Lichtsaum und hob ihren Oberkörper wie einen bunten Scherenschnitt aus dem rauchblauen Hintergrund heraus, in dem sich Felder und Bäume außerhalb des befestigten Bereichs verloren. Der lange Rock ihres Kleides verlor sich im Glitzern der Tautropfen. Philipp räusperte sich und ließ die Arme sinken.
    »Wolltet Ihr gerade fliegen?« fragte sie, ohne sich ihm zu nähern. Er hörte, wie sie über ihre eigene Frage lachte.
    »Ich bin gelandet«, erwiderte er. »Eben noch saß ich auf dem Dach des Hauses und betrachtete die Tautropfen und sah darunter ein besonders helles Funkeln. Ich flog hinab und sah, daß Ihr es wart.« Er errötete. Was wirst du als nächstes tun, Philipp , dachte er voller Scham; eine Leier nehmen und Minnesang dichten?
    »Wie ehrlich pflegt Ihr zu sein, wenn Ihr einer Dame schmeichelt?« fragte sie

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