Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Radolf in die Dunkelheit außerhalb des Fackelscheins.
»Komm heran«, murmelte er. »Komm, mein Täubchen. Es geschieht dir nichts. Ich tu dir nichts. Komm schon, es ist kalt. Ich friere.«
»Herr Radolf«, rief Philipp. Radolf zeigte keine Reaktion. Er wand sich und kicherte dabei.
»Wo bleibst du denn?« rief er. »Warum wärmst du mich nicht? Komm endlich.« Er streckte einen seiner Arme nach der Dunkelheit aus. Philipp spürte, wie sich auf seinem Rücken eine Gänsehaut bildete.
»Was ist dort drüben?« flüsterte Philipp dem Pferdeknecht zu.
»Der Friedhof«, sagte der Pferdeknecht.
»O mein Gott«, sagte Philipp und nahm dem Pferdeknecht die Fackel ab. Er hielt sie in die Richtung, in die Radolf stierte.
Ein weißes Gesicht schwamm in der Finsternis.
Philipp stieß einen Schrei aus und ließ die Fackel fallen. Sie landete auf dem Boden und flackerte auf und zeigte ein langes grünes Gewand, vor dem sich zwei weiße Hände krampfhaft umschlungen hielten.
»Dionisia«, stöhnte Philipp und bückte sich wieder nach der Fackel. »Ihr habt mich zu Tode erschreckt. Was macht Ihr dort?«
»Ich habe ... auf Euch gewartet«, sagte sie mit zitternden Lippen.
Sie blickte Philipp nicht an; ihre Augen waren auf den nackten Mann auf dem Boden gerichtet. »Ich brauche dich«, flüsterte Radolf. »Jetzt brauche ich dich noch mehr als zuvor. Komm zu mir; ich werde dir nicht weh tun.«
»Helft dem Knecht, ihn ins Haus zu tragen«, sagte sie tonlos und wandte sich endlich ab. Philipp drehte sich zu dem Pferdeknecht um, der ihn ansah und mit den Schultern zuckte. Philipp rammte die Fackel in den weichen Grasboden neben dem Weg und trat zu Radolf, gemeinsam packten sie ihn an den Armen. Radolf schien sie nicht zu bemerken. Sein Kopf fiel zurück, als sie ihn auf die Seite wandten, und das Murmeln hörte auf. Mit der Plötzlichkeit des Betrunkenen war er eingeschlafen. Sie legten ihn auf den Rücken. Der Pferdeknecht sog die Luft zwischen den Zähnen ein. Philipp hatte es auch gesehen: Das Geschlecht des Burgherrn war erregt und so dick und prall wie ein Pfahl. Mit unangenehmer Deutlichkeit wurde Philipp bewußt, weshalb Radolf sich derart auf dem Boden gewunden hatte.
»Dionisia«, sagte er rauh. »Bitte dreht Euch nicht um.«
»Er lag auf dem Rücken, als ich ihn fand«, erwiderte sie undeutlich und als ob sie krampfhaft ein Schluchzen unterdrücken würde. »Es gibt nichts zu sehen, was ich nicht schon gesehen hätte.«
Philipp stöhnte und verdrehte die Augen. »Dann gebt mir bitte das Tuch, das Ihr um die Schultern tragt, damit wir seine Blöße bedecken können.«
Sie schüttelte den Kopf und zog das Tuch fester, als fürchte sie, Philipp könne es ihr wegnehmen.
Er holt sich noch das Fieber, wenn wir ihn nicht hineinschaffen«, brummte der Pferdeknecht.
Philipp wandte sich ab und griff unter Radolfs Kniekehlen. Gemeinsam hoben sie den schweren Körper vom Boden. Philipp klemmte sich Radolfs Kniegelenke unter die Achseln und hielt seine Beine an der Unterseite der Oberschenkel fest, damit er ihm nicht entschlüpfte. Der Geruch von Radolfs Geschlecht stieg ihm in die Nase, und er verfluchte sich dafür, dem Pferdeknecht die angenehmere Aufgabe überlassen zu haben, Radolfs Oberkörper zu tragen; auch wenn dieser ihn dazu an seine eigene Brust pressen mußte wie ein Liebhaber. Als Radolf auf halbem Wegsich zu übergeben begann, nahm er seine Flüche wieder zurück und pries sich als den Glücklicheren von beiden. Sie schleppten ihn mühsam über die Treppe in den ersten Stock des donjon , pausierten dort, weil der schlüpfrig gewordene Oberkörper dem Griff des Pferdeknechtes zu entgleiten begann, und vollendeten keuchend den Weg in Radolfs Kammer am Ende des Saals, wo sie den Burgherrn auf sein Lager fallen ließen. Radolf brummte und drehte sich auf die Seite. Schweratmend sahen sie sich an. Der Pferdeknecht zupfte an seinem besudelten Kittel und machte ein grimmiges Gesicht.
»Weißt du, wo sich Decken finden lassen?« fragte Philipp. Der Pferdeknecht schüttelte den Kopf. »In der Truhe neben dem Kamin«, sagte Dionisia vom Eingang der Kammer her. Philipp fuhr herum. Sie stand bleich unter der Decke, die den Eingang verhängte, und hielt ihren Oberkörper mit beiden Armen umschlungen.
»Geht nach oben«, sagte er sanft. »Wir kümmern uns um ihn.«
Sie nickte langsam und schritt aus der Kammer. Im Licht der Fackel, die an der Wand neben dem Kammereingang steckte, sah Philipp, daß ihr Haar aufgelöst
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