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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sondern vom Inneren seines Hauses aus. Neben einer verschlossenen Tür war ein Mauerdurchbruch geschaffen worden, in dem eine halbhohe, schwere Truhe mit flachem Deckel stand und das Loch in seiner ganzen Breite ausfüllte. Jehuda Meir stand dahinter, in einem Zimmer, das den Eindruck machte, jeder Passant habe durch die Maueröffnung etwas hineingeworfen, das er nicht mehr brauchte. Bei genauerem Hinsehen ergab sich so etwas wie ein Muster in der Unordnung, und wenn es auch nur darin bestand, daß zwischen den Gebrauchsgegenständen, Schriftrollen und Stoffbahnen kleine Wege zu sehen waren, die dem Geldverleiher die Bewegung in seinem chaotischen Reich ermöglichten. Philipp raunte Aude ins Ohr: »Wenn Radolf bei diesem Kerl gewesen ist, dann können wir gleich aufgeben; er kann froh sein, wenn er am Abend noch den Weg in seine Schlafkammer findet.« Er verzog das Gesicht und näherte sich dem Geldverleiher mit der Skepsis, die die Begegnung mit Yohai ben David in ihm geweckt hatte. Jehuda Meir nickte ihm erwartungsvoll zu. Mit beginnender Erleichterung erkannte Philipp, daß dieser Mann nicht von der Atmosphäre der Düsterkeit umfangen war, die seine bisherigen Begegnungen geprägt hatte.
    »Ich möchte Euch um eine Auskunft bitten«, begann Philipp sein Verslein von neuem.
    Jehuda Meir, der sich äußerlich nicht sehr von seinem Vorgänger unterschied, wenngleich er tatsächlich so alt zu sein schien, wie sein Bart ihn machte, war Philipps Ansinnen gegenüber nichtsdestotrotz aufgeschlossener. Er verlangte von Philipp einige Daten über Radolf Vacillarius, um sich davon zu überzeugen, daß Philipp die Lebensumstände des Burgherrn kannte, und krächzte dann: »Wenn das, was Ihr mir geschildert habt, mit dem übereinstimmt, was sich in meinen Unterlagen befindet, betrachte ich Euch als legitimiert. Dann könnt Ihr Einblick in alles erhalten, was mir vorliegt.«
    »So sagt Euch der Name etwas?« rief Philipp hoffnungsvoll.
    »Durchaus nicht. Ich wollte nur klarlegen, wie sich die Dinge verhalten.«
    »Gut«, sagte Philipp. »Wie war der Name noch mal?«
    »Radolf Vacillarius.«
    »Ah ja.« Der Geldverleiher brummte etwas und blieb hinter seiner Truhe stehen. Nachdem einige Augenblicke vergangen waren, ohne daß er sich geregt hätte, fragte Philipp: »Was ist los?«
    »Ich denke nach«, erklärte Jehuda Meir.
    »Ob Ihr den Namen nicht doch kennt?«
    »Nein; wohin ich die Dokumente gelegt haben könnte.«
    »Du liebe Güte«, murmelte Philipp leise. Er sah zu Aude hinüber, die außerhalb Meirs Blickwinkel stand und sich vor Lachen schüttelte.
    Der Geldverleiher kraulte sich den Bart und krauste die Stirn. Schließlich leuchteten seine Augen auf. Er hob den Finger und lächelte Philipp an.
    »Ah ja!« rief er. Er schlurfte mit schnellen Schritten zu einem der Haufen und nahm einen Stoß Dokumente, die zwischen zwei hölzernen Deckeln zusammengebunden waren, von seinem Gipfel. Zufrieden lächelnd brachte er ihn zu der Truhe und fädelte die Schnüre auf. Philipp betrachtete ihn erwartungsvoll. Er warf Aude einen zweiten Blick zu, und diese verzog anerkennend den Mund. Jehuda Meir legte den oberen Deckel beiseite und überflog die spärlichen Zeilen auf dem ersten Dokument. Er nickte bedeutungsschwer.
    »Ist das eine von Radolfs Abschriften?« fragte Philipp fassungslos. Meir blickte auf.
    »Was?« sagte er. »Aber nein. Das gehört zu den Dokumenten über die bar mizwah meines Neffen Jochanan. Plötzlich ist mir wieder eingefallen, wo ich es hingetan habe.« Er brummte zufrieden, nahm das Pergament und band den Stapel wieder zusammen. Erschüttert beobachtete Philipp, wie er den gebundenen Stoß auf einen ganz anderen Haufen zurücklegte. Als er wieder zur Truhe zurückkam, schenkte er Philipp erneut sein freundliches Lächeln.
    »Radolf Vacillarius«, erklärte Philipp hilfreich.
    »Natürlich, natürlich«, brummte Meir. »Habt Ihr vielleicht gedacht, ich hätte den Namen vergessen?« Er blickte nachdenklich auf den Deckel der Truhe nieder. Das Dokument über die Aufnahme seines Neffen in die Erwachsenengemeinschaft geriet in sein Blickfeld, und er musterte es mit ungnädigem Erstaunen.
    Dann packte er es und legte es auf einen Stoß unterschiedlich großer Dokumente zu seiner Rechten, die nichtgebunden waren. Das Dokument rutschte hinter den Stapel und flatterte in einen dunklen Winkel, ohne daß Meir es bemerkt hätte.
    »Also«, sagte er. »Radolf ... ?«
    Philipp schloß die Augen. »Vacillarius.« Er hörte

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