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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die erstickten Geräusche, mit denen Aude ihr Gelächter zu dämpfen versuchte, und sagte im stillen ein paar lateinische Formeln auf.
    »Ich hab’s«, erklärte Meir. »Radolf Vacillarius. Selbstverständlich.«
    Er eilte zu einem der am weitesten entfernten Stapel und kramte dort herum. Undeutlich konnte Philipp sehen, wie er Stöße von Pergamenten und lederne Rollen riskant aufeinandertürmte, bis ein wackliger Turm von mehr als einer Elle Höhe entstanden war. Mit einem dünnen, staubigen und an den Kanten eingerissenen Stoß Dokumente kam Meir wieder zum Vorschein. Er schwenkte sie triumphierend und legte sie vor Philipp ab.
    »Da!« sagte er.
    Philipp schnürte den Packen auf. Er sah Meir mißtrauisch an, aber dieser blickte voller Erwartung auf das Bündel nieder. Plötzliche Erregung begann Philipp zu erfüllen. Er zerrte hastiger an den Knoten. Selbst Aude trat heran und schaute ihm über die Schultern. Endlich gab der Knoten nach; Philipp legte den Deckel beiseite und musterte das zuoberst liegende Schriftstück.
    »Das ist ja alles völlig unleserlich«, rief er enttäuscht.
    »Arabische Schriftzeichen«, kommentierte Aude.
    Meir blickte ihn erwartungsvoll an. »Nicht das, was Ihr gesucht habt?«
    »Nein, zum Henker!« rief Philipp.
    »Schade.«
    »Warum habt Ihr mir das überhaupt gezeigt?«
    »Ich hoffte, es wäre das, wonach Ihr sucht.«
    »Wißt Ihr denn selber nicht, was das ist?«
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand der Geldverleiher.
    Philipp hörte, wie Aude schnell ein paar Schritte beiseite trat und erstickt zu prusten begann. Er ließ den dünnen Deckel des Stoßes auf die Truhe fallen.
    Im Hintergrund der Stube ertönte ein scharrendes Geräusch. Meir drehte sich um und sah gerade noch, wie sein Turm in sich zusammenstürzte. Er schlug die Hände zusammen.
    »Oje!« rief er und eilte an die Stätte des Unglücks. »Oje!« Er raffte die überall herumliegenden Bündel und Rollen zusammen und verteilte sie auf den nächstliegenden Stapeln. »Das finde ich nie wieder zusammen«, jammerte er. Als er sich endlich wieder umdrehte, waren seine beiden Kunden verschwunden. Er schüttelte verwundert den Kopf und trat wieder an seine Truhe heran. Daß ihre Oberfläche leer war, schien ihn zu verwundern. Er kratzte sich am Kopf und kniff die Augen zusammen. Wo war das Dokument über Jochanans bar mizwah ?
    Die Stube von Benjamin ben Petachya lag abseits, am düsteren Ende eines Seitengäßchens, das sich gegenüber von Sankt Laurenz befand. Die Hausmauern, die das Gäßchen einrahmten, waren schmucklos, grob und nur da und dort durch Fenster oder Türen aufgelockert, so daß man an der Mauer einer abweisenden Festung entlangzulaufen glaubte. Der Boden bestand aus festgestampftem Erdreich, das stets feucht und weich war, weil die Sonne es niemals lange genug erreichte, um es auszutrocknen. In den Schatten schwammen Pfützen wie stumpf glänzende Augen, die einen unsichtbaren Himmel widerspiegelten. Philipp spähte den Lauf des Gäßchens hinauf. Es waren keinerlei Tische oder Stände darin zu sehen und auch keine Menschenseele.
    »Hat der Gemeindevorsteher Euch diese Adresse mitgeteilt?« fragte Aude zweifelnd.
    »Leider.«
    »Ich dachte, wenn man ein Geschäft hat, will man auch von den Kunden gesehen werden.«
    »Kommt darauf an, ob die Kunden beim Geschäftemachen gern gesehen werden.« Sie folgten der Mauer bis zu einer niedrigen Tür, die erstaunlich massiv im verfallenden Putz wirkte. Philipp stieg ab und faßte die Klinke, um einzutreten, bedachte sich eines Besseren und klopfte lautstark gegen die Tür. Nach wenigen Augenblicken öffnete ein mittelgroßer, schlanker Mann, der seinen Judenhut nur in der Hand hielt und Philipp musterte. Das Ergebnis der Musterung schien zu sein, daß er Philipp und seine Begleiterin, für die er kaum einen Blick übrig hatte, als nicht besonders wichtig einstufte. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seinen Hut aufzusetzen.
    »Bitte?« fragte er mit mäßigem Interesse.
    Philipp brachte eine an die Erfordernisse mittlerweile angepaßte Version seines Spruchs zum besten: daß er Unterlagen über Kredite an einen Teilnehmer des letzten Pilgerzugs suche, dem er bei der Ordnung seiner Familienangelegenheiten helfe und dessen volles Vertrauen er genieße. »Ein Pilgerfahrer ins Heilige Land?« Der Geldverleiher schüttelte den Kopf. »Ich habe so gut wie nie an diese Leute Geld verliehen. Die Rechtslage bei der Rückforderung war mir zu unsicher.«
    Philipp ließ die

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