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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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vermittelten, in der jede Biene ihre eigenen Bauvorstellungen verwirklicht hat. Die ständigen Enteignungen und Vertreibungen in der Vergangenheit hatten den Juden jedoch eine achtlose Einstellung zu unbeweglichem Eigentum aufgezwungen, und in dementsprechendem Zustand befanden sich die Bauten. Die Wände waren schief, die Dachschindeln voller Lücken, das Holz des Fachwerks moderte, und an vielen Stellen sah das lehmverbackene Stroh hinter dem Putz hervor. Die Quartiere sahen nicht viel besser aus als in einem Elendsviertel im christlichen Teil der Stadt. Sie sollten anfangen, die Frauen mitreden zu lassen , dachte Aude, dann wären ihre Häuser mehr als baufällige Steinhaufen und Bretterbuden. Aber sie war ungerecht, und sie wußte es. Die meisten der jüdischen Einwohner würden damit rechnen, wenigstens einmal im Leben aus ihrem Haus vertrieben zu werden, und so machte es keinen Sinn, seinen Stolz dareinzulegen; um so mehr, als ein reiches Haus unausweichlich den Schluß nahelegt, es befände sich ein wohlhabender Bewohner darin, und die Reichtümer der Juden hatten schon immer die Begehrlichkeit ihres Herrn, des Königs, ebenso erweckt wie den Haß des besitzlosen christlichen Pöbels.
    Schließlich trat Philipp wieder aus der Tür und stellte sich vor ihr Pferd. Obwohl Aude die Zeit nicht lang geworden war, während sie ihren Gedanken nachhing, fühlte sie sich bemüßigt zu sagen: »Nennt Ihr das vielleicht sich zu beeilen? Ich fürchtete schon, hier Schimmel anzusetzen.« »Er hat mir die Namen aller Geldverleiher im vicus aufgezählt, die vor dem letzten Pilgerzug ihr Geschäft hier führten, und ihre Genealogie, angefangen bei Aschkenaz, von dem die Juden hier allesamt abzustammen glauben«, seufzte Philipp. »Ihr könnt noch froh sein, daß seitdem erst ein paar tausend Jahre vergangen sind.«
    »Was wollt Ihr von den Geldverleihern? Muß Euer Herr ein Darlehen aufnehmen?«
    »Nein; es geht nicht um meinen Herrn. Einer seiner Freunde ist ein Kardinal, und ich kümmere mich in dessenAuftrag um die Eigentumsdokumente eines Ritters eine Tagesreise von hier entfernt. Ich will versuchen, Abschriften dieser Dokumente bei den Geldverleihern zu finden. Er hat wahrscheinlich für seinen Zug ins Heilige Land Geld geliehen und dafür die Dokumente hinterlegt.«
    »Und wie viele Namen hat der Gemeindevorsteher Euch genannt?«
    »Acht.«
    »Meine Güte. Habt Ihr schon bemerkt, daß es bereits nach dem Mittag ist? Wollt Ihr die alle heute noch aufsuchen?« »Zwei davon sind mittlerweile gestorben; drei waren durch die Aufhebung der Zinspflicht für die Pilgerfahrer nachher ruiniert und haben die Stadt schon lange verlassen; es bleiben also drei Männer, die ich aufsuchen muß.«
    »Das hört sich etwas besser an.«
    »Allerdings werde ich die Dokumente erst beim letzten der drei finden, wenn überhaupt«, wandte Philipp ein.
    »Woher wollt Ihr das wissen?«
    »Weil es mir immer so geht. Wenn der Bäcker aus Versehen einen Stein ins Brot gebacken hat, bin ich garantiert derjenige, der darauf beißt.«
    »Pech macht widerstandsfähig«, sagte Aude mitleidlos.
    »Ja; und es klebt. Also werdet Ihr an mir kleben bleiben müssen, bis ich meine Geschäfte zu Ende gebracht habe.«
    »Ist Euch nun klargeworden, weshalb die Leute hier so ablehnend waren uns gegenüber?« fragte Aude, als sie nebeneinander in eine der Gassen ritten. Der Verkehr war bei weitem geringer als vorher. Es mochte an der dunklen Enge der Gasse liegen oder daran, daß die meisten Bürgerihre Behausungen aufgesucht hatten, um sich auszuruhen. »Sie haben Angst; das habt Ihr ganz richtig erkannt.« »Das war mir schon klar. Wovor haben sie Angst?«
    Philipp zuckte mit den Schultern.
    »Was weiß ich? Vielleicht, daß ihre Häuser zusammenbrechen, wenn die Tritte eines Pferdes den Boden erschüttern. Ehrlich gesagt beschäftigt mich diese Frage auch.«
    »Hört doch auf herumzualbern«, sagte Aude. »Haben sie nichts zu Euch gesagt, was sie bedrückt?«
    »Nein. Sie waren am Ende unserer Unterhaltung zwar mehr als höflich, aber darüber haben sie nicht gesprochen.«
    »Und Ihr habt auch nicht gefragt, nehme ich an.«
    »Ich hatte nicht das Gefühl, vor dem Gralskönig zu stehen, als ich mich mit dem Parnes unterhielt«, erklärte Philipp bissig. »Oder hätte ich fragen sollen: wo drückt der Schuh, edler Parnes Titurel?«
    »Der leidende Gralskönig hieß Amfortas«, sagte Aude herablassend. »Titurel war sein Vater. Ihr allerdings würdet einen

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