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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Porträt hier keineswegs fehl am Platze gewesen. Wie dies bei echten Führungspersönlichkeiten stets der Fall ist, fußte die seine auf einem Gefühl der Verpflichtung und einem tief empfundenen moralischen Sendungsbewusstsein.
    Janson ertappte sich dabei, wie er fasziniert die Gesichter lang verblichener Könige und ihrer Berater anstarrte, und deshalb zuckte er zusammen, als er hörte, wie sich hinter ihm jemand räusperte.
    »Du liebe Güte, du bist es tatsächlich!«, trompetete Angus Fielding mit seiner etwas schrillen Stimme. »Verzeih mir - ich habe dich beobachtet, wie du die Porträts bewunderst, und mich gefragt, ob es wirklich möglich ist. Die Schultern sind es, die Haltung. Mein lieber Junge, das ist viel zu lange her. Aber wirklich, das ist ja eine entzückende Überraschung! Gilly hat mir gesagt, mein Zehn-UhrTermin sei da, und ich war deshalb darauf vorbereitet, mit einem unserer weniger viel versprechenden Diplomanden über Adam Smith und Condorcet zu sprechen. Um Lady Asquith zu zitieren: >Er hat einen brillanten Verstand -wenn er ihn nur gebrauchen würde.< Du hast ja keine Ahnung, wovor du mich bewahrt hast.«
    In den von Wolken gefilterten Sonnenstrahlen, die in den düsteren Raum fielen, wirkte der Kopf von Jansons altem Freund und Lehrmeister wie von einem Heiligenschein umgeben. Das Alter hatte seinem Gesicht seine Spuren aufgeprägt, und Fieldings weißes Haar war dünner, als Janson es in Erinnerung hatte, aber der alte Don war immer noch schlank und beweglich, und in seinen hellblauen Augen blitzte es, als wäre ihm gerade etwas Spaßiges eingefallen - irgendein namenloser kosmischer Witz - und als habe er vor, seinen Besucher daran teilhaben zu lassen. Fielding war jetzt Ende der Sechzig und nicht besonders groß, aber seine Ausstrahlung ließ ihn größer erscheinen.
    »Komm, mein lieber Junge«, sagte Fielding. Er führte Janson durch einen kurzen Flur, vorbei an der alterslosen Frau mit dem wächsernen Gesicht, die seine Sekretärin war, in sein geräumiges Büro mit dem riesigen Panoramafenster, das auf den großen Hof hinaus blickte. Schlichte weiße Regale an den angrenzenden Wänden waren mit Büchern, Journalen und Sonderdrucken seiner Artikel gefüllt. Die Titel vermittelten dem Besucher das Gefühl der Ahnungslosigkeit: »Ist das globale Finanzsystem in Gefahr? Eine makroökonomische Betrachtung«; »Devisenliquiditätspositionen der Zentralbanken - eine Forderung nach Transparenz«; »Eine neue Methode zur Beurteilung aggregierter Marktrisiken«; »Strukturelle Aspekte der Marktliquidität und deren Konsequenzen für die finanzielle Stabilität«. Auf einem Ecktisch lag eine vergilbte Ausgabe des Far Eastern Economic Review; unter einem Foto Peter Novaks war die Schlagzeile: AUS DOLLARS KLEINGELD MACHEN zu lesen.
    »Verzeih mir die Unordnung«, sagte der Don und nahm einen Stapel Papiere von einem der schwarzen Windsor-sessel neben seinem Schreibtisch. »Weißt du, in gewisser Weise bin ich froh, dass du mir nicht Bescheid gesagt hast, dass du kommen würdest, dann hätte ich nämlich vielleicht hier aufgeräumt, und wir beide wären enttäuscht gewesen. Alle sagen mir, ich sollte die Köchin rauswerfen, aber die Ärmste ist praktisch seit Oliver Cromwell hier, und ich habe dazu einfach nicht das Herz und vielleicht auch nicht den Magen. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass ihre Süßspeisen hochgradig toxisch sind. Sie ist so etwas wie eine graue Eminenz - meine Kollegen sagen immer, eine grässliche Eminenz. Die Annehmlichkeiten hier stellen eine seltsame Mischung aus Opulenz und Sparsamkeit dar, um nicht zu sagen Schäbigkeit, an die man sich gewöhnen muss. Du wirst dich ja sicher aus deiner Zeit in diesen heiligen Hallen daran erinnern, aber eben so, wie man sich an seine Kindheit erinnert, wo einem manche Dinge ungeheuer reizvoll erschienen sind, die man jetzt überhaupt nicht mehr begreift.«
    Er tätschelte Jansons Arm. »Und jetzt, lieber Junge, bist du dran.«
    Der Redefluss, die funkelnden, amüsiert blickenden Augen - es war ganz der alte Angus Fielding, an den er sich erinnerte, weise und immer so wirkend, als wolle er einem gleich einen Streich spielen. Diese Augen sahen mehr, als ihr Besitzer zugab, und seine zerstreute Gelehrtenmanier und die damit einhergehende Geschwätzigkeit eigneten sich hervorragend, um den Gesprächspartner abzulenken. Angus Fielding gehörte einer Fakultät an, die Giganten wie Marshall, Keynes, Lord Kaldo und Sen hervorgebracht hatte,

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