Der Janson-Befehl
echten Sinn des Wortes: Liebe zu den Menschen.«
Fielding schnauzte sich leise und kniff dann die Augen zusammen, war entschlossen, seine Gefühle im Zaum zu halten.
»Ich habe ihm alles zu verdanken«, sagte Janson und erinnerte sich an den Staub von Baaqlina.
»Ebenso wie die Welt«, erwiderte Fielding. »Deshalb sagte ich ja, dass das einfach nicht sein kann. Ich meinte damit natürlich nicht die Tatsache selbst, sondern die Folge daraus. Er darf nicht sterben. Zu viel hängt von ihm ab. Zu viele subtile Anstrengungen um Frieden und Stabilität, die alle von ihm unterstützt, gelenkt und inspiriert sind. Wenn er umkommt, werden viele mit ihm umkommen, Opfer sinnlosen Leids und sinnlosen Mordens - Kurden, Hutus, Roma, all die Parias dieser Welt. Christen im Sudan, Muslime auf den Philippinen, Indianer in Honduras, Casamance-Separatisten im Senegal., aber weshalb auch nur mit einer Liste von les damnés de la terre anfangen? Schlimme Dinge werden geschehen. Viele, viele schlimme Dinge. Und am Ende werden sie den Sieg davongetragen haben.«
Fielding wirkte so, als ob er in den letzten Minuten kleiner geworden wäre, nicht nur älter. Es war, als wäre jegliche Lebensenergie aus ihm herausgeflossen.
»Vielleicht lässt sich das Spiel so spielen, dass ein Patt dabei herauskommt«, sagte Janson leise.
Der Blick des Gelehrten wirkte verzweifelt. »Du wirst mir jetzt klar zu machen versuchen, Amerika auf seine stümperhafte Art könnte einspringen. Du glaubst vielleicht sogar, dass es deinem Land zukommt, das zu tun. Aber das eine, was ihr Amerikaner nie ganz begriffen habt, ist, wie tief Antiamerikanismus verwurzelt ist. In dieser neuen Epoche, die nach dem Ende des Kalten Krieges begonnen hat, haben viele Menschen auf der ganzen Welt das Gefühl, dass sie von der amerikanischen Wirtschaft wie von einer Besatzungsmacht beherrscht werden. Ihr redet von >Globalisierung<, und sie hören >Amerikanisierung<. Ihr Amerikaner seht Fernsehbilder von antiamerikanischen Demonstrationen in Malaysia oder Indonesien, von Protestmärschen in Melbourne oder Seattle, hört, dass ein paar McDonald's in Frankreich niedergebrannt werden -und haltet das für Zufälligkeiten. Das Gegenteil ist der Fall. Das sind alles Vorboten eines Sturms, so wie die ersten Regentropfen vor einem Wolkenbruch.«
Janson nickte. Das war nicht das erste Mal, dass er solche Gedanken hörte, und das letzte Mal lag noch gar nicht so lange zurück. »Jemand hat erst dieser Tage zu mir gesagt, dass die Feindseligkeit sich gar nicht wirklich auf das bezieht, was Amerika tut, sondern auf das, was Amerika ist.«
»Und genau das ist der Grund, weshalb Peter Novak eine unschätzbare Rolle gespielt hat und unersetzlich ist.«
Die Stimme des Gelehrten wurde lebhafter. »Er war kein Amerikaner und wurde nicht als Handlanger amerikanischer Interessen empfunden. Jeder wusste, dass er häufig amerikanische Avancen zurückgewiesen hat, dass er das für die Außenpolitik zuständige Establishment geärgert hat, indem er seinen eigenen Weg ging. Die einzige Richtschnur, die es für ihn gab, war sein eigenes Gewissen. Er war derjenige, der sich hinstellen und erklären konnte, wir hätten unsere Orientierung verloren. Er besaß die Autorität, sagen zu können, dass Märkte ohne Moral keine Dauer haben - er konnte solche Dinge aussprechen. Und man hörte ihm zu. Der Zauber der Märkte reicht nicht aus, hat er immer wieder erklärt und: >Wir brauchen einen moralischen Sinn für unsere Ziele und die verpflichtende Entschlossenheit, sie zu erreichen. <«
Fieldings Stimme versagte, und er musste schlucken. »Das habe ich gemeint, als ich sagte, dass dieser Mann nicht sterben darf.«
»Und doch ist er gestorben«, erwiderte Janson.
Fielding wippte leicht vor und zurück, als wäre er auf See. Eine Weile sagte er nichts. Und dann öffnete er seine leuchtend blauen Augen weit. »Das Seltsame ist, dass nirgends etwas von dieser Katastrophe berichtet wurde -weder von seiner Entführung noch von seiner Ermordung. Äußerst seltsam. Du hast mir die Fakten geschildert, aber keine Erklärung gegeben.«
Fieldings Blick wanderte zu den grauen Wolken draußen über der uralten Pracht des Innenhofs, die niedrig hängenden Wolken der Moorlandschaft von East Anglia über den grob behauenen Portlandsteinen des Hofes: ein Bild, das sich seit Jahrhunderten nicht verändert hatte.
»Ich denke, ich hatte gehofft, dass du mir da behilflich sein könntest«, sagte Janson. »Die Frage ist, wer
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