Der Janson-Befehl
wie Sie das erfahren haben, was Sie offenbar zu wissen glauben. Aber wenn wir hier fertig sind, möchte ich, dass ich alles weiß, was ich wissen möchte.«
Selbst wenn sie eine ganz gewöhnliche Privatperson war, die auf völlig legitime Weise seine Dienste in Anspruch nehmen wollte, war eine so öffentliche Kontaktaufnahme absolut unpassend. Und einen seiner Decknamen zu benutzen, wenn auch einen, der schon lange nicht mehr aktuell war, war ein geradezu kardinaler Verstoß gegen alle Protokolle.
»Das haben Sie mir jetzt klar gemacht, Mr. Janson«, sagte sie. »Ich gebe ja zu, dass meine Kontaktaufnahme nicht sonderlich gut überlegt war. Sie werden mir verzeihen müssen...«
»Werde ich das? Das ist ziemlich anmaßend.«
Er atmete ein und registrierte einen leichten Duft: Pen-haligon's Jubilee. Ihre Blicke begegneten sich, und Jansons Ärger schwand etwas, als er ihren Gesichtsausdruck sah, den besorgt verzogenen Mund und den entschlossenen Blick ihrer graugrünen Augen.
»Wie ich schon sagte, wir haben sehr wenig Zeit«, erklärte sie.
»Ich habe alle Zeit der Welt.«
»Aber Peter Novak nicht.«
Peter Novak.
Der Name durchzuckte ihn wie ein elektrischer Schlag, so wie sie das geplant hatte. Novak war ein legendärer ungarischer Financier und Philanthrop und hatte im Jahr zuvor für seine erfolgreichen Bemühungen um Konfliktbeilegung in der ganzen Welt den Friedensnobelpreis erhalten. Novak war Gründer und Direktor der Liberty Foundation, die sich der »gezielten Demokratie« verschrieben hatte - Novaks großer Leidenschaft. Diese Institution unterhielt ihre Büros in den Hauptstädten Osteuropas und in zahlreichen Entwicklungsländern. Aber Janson hatte eigene Gründe, sich Peter Novaks zu erinnern. Und er stand so tief in der Schuld des Mannes, dass er diese Dankbarkeit gelegentlich wie eine Last empfunden hatte.
»Wer sind Sie?«, fragte Janson.
Die graugrünen Augen der Frau bohrten sich in die seinen. »Ich heiße Marta Lang und bin für Peter Novak tätig. Ich könnte Ihnen eine Geschäftskarte zeigen, falls Sie das für hilfreich hielten.«
Janson schüttelte langsam den Kopf. Auf ihrer Geschäftskarte würde ein Titel stehen, der für ihn ohne Bedeutung war; wahrscheinlich würde er sie als eine hochrangige Angestellte der Liberty Foundation ausweisen. Ich bin für Peter Novak tätig, hatte die Frau gesagt, und schon die Art, wie sie das gesagt hatte, hatte ihm klar gemacht, was sie war. Sie war das Faktotum, die erste Helferin, die rechte Hand; jeder große Mann hatte jemanden wie sie. Leute wie sie zogen es vor, im Schatten zu wirken, übten aber große, wenn auch inoffizielle Macht aus. Ihr Name und der kaum wahrnehmbare Akzent ließen erkennen, dass sie wie ihr Arbeitgeber Ungarin war.
»Was versuchen Sie mir zu sagen?«, fragte Janson. Seine Augen verengten sich.
»Nur, dass er Hilfe braucht. So wie Sie einmal Hilfe gebraucht haben. In Baaqlina.«
Marta Lang sprach den Namen jener staubigen Stadt aus, als wäre er ein ganzer Satz, ein Abschnitt, ein Kapitel. Und für Janson war er das.
»Ich habe nichts vergessen«, sagte er leise.
»Dann reicht es für den Augenblick, wenn Sie wissen, dass Peter Novak auf Ihre Unterstützung angewiesen ist.«
Sie hatte nur wenige Worte gesagt, aber es waren die richtigen. Janson ließ ihren Blick ein oder zwei Sekunden lang nicht los.
»Wohin?«
»Ihre Bordkarte können Sie wegwerfen. Unser Jet steht auf der Piste und ist für den sofortigen Start freigegeben.«
Sie stand auf, und ihre Verzweiflung verlieh ihr irgend-wie Kraft und eine Art von Befehlsgewalt. »Wir müssen jetzt gehen. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen - wir haben keine Zeit.« »Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Wohin?« »Das, Mr. Janson, wird unsere Frage an Sie sein.«
2
Als Janson ihr über die Aluminiumtreppe in Novaks Gulfstream V folgte, fiel sein Blick auf die Aufschrift am Rumpf, deren weiße Lettern einen schimmernden Kontrast zur Indigofarbe des Jets bildeten: Sok kicsi sokra megy. Ungarisch und für ihn absolut unverständlich.
Die Startbahn war ein Wirbel aus Lärm; das Kreischen der Turbinen mischte sich mit dem tiefen Bass der Düsenaggregate. Als sich freilich die Kabinentür hinter ihnen schloss, setzte majestätisches Schweigen ein, als ob sie eine schallisolierte Zelle betreten hätten.
Der Jet war geschmackvoll eingerichtet, ohne aufdringlich zu wirken; einfach die Kabine eines Mannes, für den Geld zwar kaum eine Rolle spielte, der aber
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