Der Janson-Befehl
Indischen Ozean, so groß wie West Virginia, hatte eine Bevölkerung von zwölf Millionen und war mit seltener natürlicher Schönheit und einer reichen kulturellen Tradition gesegnet. Janson war achtzehn Monate dort stationiert gewesen. Er hatte eine Gruppe geleitet, die eine neutrale Analyse der instabilen politischen Situation der Insel erstellen und in Erfahrung bringen sollte, ob Kräfte von außerhalb dort für Unruhe sorgten. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hatte nämlich eine der tödlichsten Terrororganisationen der Welt, die Kagama Liberation Front, Unruhe in dieses Paradies gebracht. Tausende junger Männer, die einem Mann, den sie den Kalifen nannten, abgöttisch ergeben waren, trugen Lederhalsbänder, an denen eine Zyankalikapsel hing; das sollte ein Symbol für ihre Bereitschaft sein, jederzeit ihr Leben für ihre Sache zu opfern. Der Kalif hatte eine ganz besondere Neigung für Selbstmordbombenattentate. Bei einer politischen Versammlung des Premierministers von Anura vor ein paar Jahren hatte eine Selbstmordattentäterin, ein junges Mädchen, deren Sari eine gewaltige Menge von mit Metallteilen durchmischten Sprengstoff verdeckte, der Geschichte der Insel ihr Zeichen aufgedrückt. Der Premierminister wurde zusammen mit mehr als hundert Versammlungsteilnehmern getötet. Und dann waren da die Autobomben in der Innenstadt von Caligo. Bei einem der Attentate wurde das Internationale Handelszentrum von Anura zerstört. Eine weitere Autobombe, diesmal versteckt im Lieferwagen einer Speditionsgesellschaft, hatte zum Tod von einem Dutzend Mitarbeitern der Amerikanischen Botschaft in Anura geführt.
Und Helene hatte zu diesem Dutzend gehört. Ein wiete-res Opfer sinnloser Gewalt. Oder waren es zwei Opfer? Was war mit dem Kind, das sie hätten haben sollen?
Von seinem Leid beinahe gelähmt, hatte Janson darauf bestanden, dass man ihm den Zugang zu den Mitschnitten der NSA ermöglichte, darunter auch jenen der Satellitentelefongespräche der Guerillaführer. Die Mitschnitte wurden eilig ins Englische übersetzt, soweit das möglich war, aber auch wo die Kunst der Übersetzer versagte und schnelle Dialogstellen nur als schwarze Striche auf weißem Papier erschienen, war der Fanatismus nicht zu übersehen. Der Bombenanschlag auf die Botschaft war eine der stolzesten Leistungen des Kalifen. Helene, du warst meine Sonne.
In dem Jet legte Marta die Hand auf Jansons Handgelenk. »Es tut mir Leid, Mr. Janson. Mir ist bewusst, dass das in Ihnen schlimme Erinnerungen weckt.«
»Natürlich tut es das«, sagte Janson ausdruckslos. »Das ist ja einer der Gründe, weshalb Sie mich gewählt haben.«
Marta wandte den Blick nicht ab. »Peter Novak soll sterben. Die Konferenz in der Provinz Kenna war nur eine Falle.«
»Sie war von Anfang an Wahnsinn«, brauste Janson auf.
»War sie das? Natürlich, der Rest der Welt hat aufgegeben, abgesehen von denen, die insgeheim die Gewalttaten dort fördern. Aber nichts beleidigt Peter mehr als Defätismus.«
Jansons Gesicht rötete sich. »Die KLF hat zur Vernichtung der Republik Anura aufgerufen. Die KLF sagt, sie glaube an das eingebettete Edle der Gewalt. Wie soll man mit solchen Fanatikern verhandeln?«
»Die Einzelheiten sind banal. Das sind sie immer. Am Ende lief der Plan darauf hinaus, Anura zu einer Art föderativer Verfassung hinzuführen, die den Provinzen mehr Autonomie gewähren, die berechtigten Beschwerden und Anliegen der Kagama durch sinnvolle Selbstregierung beilegen und gleichzeitig den Anuranern echten bürgerlichen Schutz gewähren sollte. Das lag im Interesse beider Parteien. Das war vernünftig. Und manchmal setzt sich die Vernunft ja durch. Peter hat das immer aufs Neue bewiesen.«
»Ich weiß nicht, was ich an Leuten wie Ihnen mehr bewundern soll - ihr Heldentum oder ihre Arroganz.«
»Kann man die beiden so leicht voneinander unterscheiden?«
Janson blieb einen Augenblick lang stumm. »Gebt diesen Dreckskerlen doch einfach das, was sie wollen«, sagte er schließlich mit halb erstickter Stimme.
»Die wollen gar nichts«, sagte Lang leise. »Wir haben sie aufgefordert, uns ihren Preis zu nennen, solange sie Peter nur freilassen. Sie haben es strikt abgelehnt, das auch nur in Betracht zu ziehen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie selten das ist. Das sind Fanatiker. Die Antwort, die wir bekommen, ist immer dieselbe: Peter Novak ist wegen Verbrechen gegen das Volk der Insel zum Tod verurteilt worden, und der Hinrichtungsbeschluss ist
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