Der Janson-Befehl
blitzschnell, die verschiedenen Steinornamente als Handgriffe nutzend, an der Außenfassade der Villa hinunter. Das leer geschossene AKS zurücklassend, setzte er, so lautlos ihm das möglich war, unten in der düsteren Seitengasse auf dem Asphalt auf und suchte hinter zwei Mülltonnen Deckung, um die Straße vor ihm zu studieren.
Der Hüne war schnell, für einen Mann seiner Größe sogar verblüffend schnell. Schon kam er aus der Eingangstür des Gebäudes geschossen, zerrte dabei die bewusstlose Frau wie einen Sack hinter sich her. Der Mann hatte eine hässliche ausgefranste Narbe, die seine Wange verunzierte, ein groteskes Andenken an eine gewalttätige Vergangenheit. Seine blauen Augen waren klein, wie die eines Schweins, aber wachsam.
Ein zweiter Mann, ähnlich wie er gekleidet, kam auf ihn zugerannt, und Janson hörte, wie die beiden miteinander redeten. Eine Sprache, die ihm nicht vertraut war - aber auch nicht völlig fremd. Wenn er sich anstrengte, konnte er ein paar Brocken verstehen. Eine slawische Sprache -Serbokroatisch wohl. Entfernt mit dem Tschechischen verwandt, sodass er das Wesentliche mitbekam.
Ein kleiner Wagen mit starkem Motor kam mit großem Getöse auf sie zugerollt, und die beiden Männer sprangen nach kurzem Wortwechsel auf den Rücksitz. In der Ferne war das Heulen von Polizeisirenen zu hören.
Sie verließen den Ort des Geschehens, weil die Polizei gleich da sein würde. Zwei weitere dunkel gekleidete Männer mit Gewehren drängten sich in einen Offroader und suchten ebenfalls das Weite.
Mitgenommen und blutüberströmt taumelte Janson zu der Nebenstraße, wo Barry Cooper schwitzend und mit vor Erregung geweiteten Augen auf dem Fahrersitz der gepanzerten Limousine wartete.
»Du gehörst in ein Krankenhaus«, sagte Cooper benommen.
Einen Augenblick lang blieb Janson stumm und hielt die Augen geschlossen. Unter höchster Konzentration versuchte er sich an die Worte zu erinnern, die er gehört hatte. Körte Prinsegracht ... Centraal Station ... Wester-dok ... Oosterdok...
»Bring mich zur Centraal Station«, sagte Janson.
»Wir haben gleich die Hälfte aller Bullen von Amsterdam hinter uns.«
Es hatte leicht zu nieseln begonnen, und Cooper schaltete die Scheibenwischer ein.
»Volle Pulle.«
Cooper nickte und jagte auf der Prinsengracht nach Norden, achtete nicht darauf, dass die Räder gelegentlich auf dem glatten Asphalt durchdrehten. Als sie schließlich die Brücke über der Brouwersgracht erreichten, war es offenkundig, dass sie nicht von der Polizei verfolgt wurden. Aber gab es vielleicht andere Verfolger?
»Serbische Banditen«, murmelte Janson. »Heutzutage sind die meisten davon Söldner. Aber in wessen Dienst?«
»Serbische Söldner? Das finde ich gar nicht cool, Mann. Ich werd' so tun, als ob ich das nicht gehört hätte.«
Die von Menschenhand geschaffene Insel, auf der die Centraal Station stand, trennte die Körte Prinsegracht vom Westerdok mit seinen weitgehend verlassenen Lagerhäusern. Aber das war nicht das Ziel des Hünen und seiner Freunde. Sie hatten zweifellos Kurs auf die riesigen Hallen des Ausbesserungswerks im Süden der Station genommen, die für gelegentliche Beobachter kaum einzusehen waren. In der Nacht hielten sich dort Heroinsüchtige auf, um sich ihren Schuss zu setzen, am Tag war die Gegend fast völlig verlassen.
»Weiter fahren, geradeaus!«, schrie Janson, der plötzlich hellwach geworden war.
»Ich dachte, du hättest gesagt Centraal Station.«
»Da rechts steht ein Wartungsgebäude, fünfhundert Meter entfernt. Vor den Lagerhäusern von Oosterdok. Und jetzt Tempo.«
Der schwere Mercedes raste am Parkplatz des Bahnhofs vorbei und polterte über die zerbrochenen Pflastersteine der verlassenen Höfe, wo vor vielen Jahren rege Betriebsamkeit geherrscht hatte. Die meisten Handelshäfen waren nach Nord-Amsterdam verlegt worden, zurückgeblieben waren Phantome aus Ziegeln, Beton und Wellblech.
Plötzlich ragte vor ihnen ein Gitterzaun auf. Cooper hielt an, und Janson stieg aus. Das Gittergeflecht des Zauns war von einer grauen Oxidschicht überzogen; er war offenbar schon ziemlich alt. Aber der Schließknopf in der großen rechtwinkeligen Metallplatte glänzte und war sichtlich neueren Datums.
Aus der Ferne hörte er Rufe.
Janson zog eilig einen kleinen Dietrich aus der Tasche und machte sich ans Werk. Er führte das schmale Ende in die Schlossöffnung ein und drehte das Werkzeug dann in einer fließenden Bewegung herum. Es war wichtig,
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