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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Frau hatte wieder angefangen, mit rhythmischen Bewegungen ihren Hund zu streicheln. »Ein wirklich vollkommener kleiner Junge.«
    Ihre Augen leuchteten kurz auf, als könne sie den Jungen vor sich sehen, wie er vor den Spiegeln beiderseits des Ganges herumstolzierte und sein Spiegelbild sich unendlich oft wiederholte, bis es in einen winzigen Punkt zusammenschrumpfte.
    Die Lider der alten Frau flatterten, und sie drückte die Augen zu, als versuche sie die Bilder in ihrem Bewusstsein zum Anhalten zu bringen. »Das Fieber war schrecklich, er glühte wie Feuer, warf sich im Bett herum und musste sich immer wieder übergeben. Es war eine Cholera-Epidemie, wissen Sie. So heiß hat er sich angefühlt. Und dann so kalt. Ich war eine von denen, die ihn in seinem Krankenbett gepflegt haben wissen Sie.«
    Sie legte dem Hund beide Hände auf den Kopf zog Trost aus der ruhigen Kraft des Tiers. »Ich werde diesen Morgen nie vergessen - als ich seine Leiche fand, so kalt die Lippen, so blass die Wangen, wie Wachs. Es war wirklich herzzerreißend. Er war erst fünf Jahre alt. Kann es etwas Traurigeres geben? Tot, bevor er wirklich eine Chance hatte zu leben.«
    Janson fühlte sich vom Schwindel gepackt, völlig desorientiert. Peter Novak als Kind gestorben? Wie konnte das sein? Gab es irgendwo einen Irrtum - war dies eine andere Familie, die die alte Frau da schilderte -, einen anderen Peter?
    Und doch stimmten die Berichte über das Leben des großen Philanthropen alle überein: Peter Novak, der geliebte einzige Sohn von Janos Ferenczi-Novak, war im Oktober 1937 zur Welt gekommen und in der vom Krieg verwüsteten Ortschaft Molnar aufgewachsen. So stand es in den offiziellen Unterlagen.
    Aber das Übrige? Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass die alte Frau die Wahrheit berichtete, so wie sie sich daran erinnerte. Und doch, was hatte das zu bedeuten?
    Peter Novak, der Mann, den es nie gab?
    Inmitten wachsenden Unbehagens flatterten Janson alle möglichen Varianten durch den Kopf, wie Karteikarten, die man immer wieder neu durcheinander gemischt hat.
    Jessie zog den Reißverschluss ihres Rucksacks auf, holte den Bildband über Peter Novak heraus und schlug eine Seite mit einem Brustbild des großen Mannes auf. Sie zeigte es Gitta Bekesi.
    »Sehen Sie diesen Mann? Sein Name ist Peter Novak.«
    Die alte Frau warf einen Blick auf das Bild, sah dann Jessie an und zuckte die Schultern. »Ich höre keine Nachrichten. Ich habe kein Fernsehen und lese keine Zeitungen. Sie müssen mir verzeihen. Aber ja, ich denke, ich habe von diesem Mann gehört.«
    »Derselbe Name wie der kleine Sohn des Grafen. Das kann doch sicherlich nicht dieselbe Person sein?«
    »Peter, Novak - das sind in unserem Land geläufige Namen«, sagte sie und hob erneut die Schultern. »Natürlich ist das hier nicht Ferenczi-Novaks Sohn. Der ist 1942 gestorben. Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    Ihre Augen wanderten zu dem Foto zurück. »Außerdem hat dieser Mann braune Augen.«
    Das schien ihr fast zu offensichtlich, um näher darauf einzugehen, aber dann fügte sie doch hinzu: »Der kleine Peter hatte blaue Augen, blau wie das Wasser des Balaton. Blau wie die seiner Mutter.«
    In einem Zustand, der an Schock grenzte, traten die beiden den langen Weg zurück zu dem Lancia an, einen Kilometer den Hügel hinauf. Als das Haus dann hinter ihnen zwischen den Büschen verschwand, begannen sie zu reden, langsam, tastend, versuchten das immer komplizierter werdende Geheimnis zu erforschen.
    »Was, wenn es noch ein Kind gegeben hat?«, fragte Jessie. »Eines, von dem niemand etwas wusste und das den Namen seines Bruders angenommen hat. Ein Zwillingsbruder vielleicht, den sie aus irgendeinem Grund versteckt haben.«
    »Die alte Frau schien sich ganz sicher zu sein, dass er ihr einziges Kind war. So etwas kann man nicht leicht vor seinen Hausangestellten verbergen. Aber wenn Graf Ferenczi-Novak wirklich so paranoid war, wie es heißt, kann man sich alles Mögliche vorstellen.«
    »Aber warum? Er war doch nicht verrückt.«
    »Verrückt nicht, aber von panischer Angst um sein Kind erfüllt«, sagte Janson. »Die ungarische Politik befand sich damals in einer unglaublich explosiven Situation. Erinnern Sie sich an das, was Sie gelesen haben. Bela Kun hatte die Macht im März 1919 ergriffen und einhundertdreiunddrei-ßig Tage regiert. Ein Schreckensregiment. Und nachdem man ihn gestürzt hatte, folgte darauf ein sogar noch schrecklicheres Massaker an den Leuten, die ihm bei seiner

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