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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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immer. Und wie dunkel es in der großen Halle war. Man wollte keine Löcher in die Fresken bohren, um elektrische Beleuchtung einzubauen. Also wurde alles mit Kerzen beleuchtet. Ich erinnere mich, dass in der großen Halle ein Flügel stand, aus Rosenholz. Mit einer feinen Spitzendecke darauf und einem silbernen Kandelaber, der musste jeden Samstag sorgfältig poliert werden. Im Freien war es genauso schön. Ich war vor Aufregung ganz benommen, als ich zum ersten Mal durch den im englischen Stil angelegten Garten hinter dem Schloss ging. Da wuchsen riesige Trompetenbäume mit ihren verwachsenen Ästen, und überall lagen die Samenkapseln davon herum, und zugestutzte Akazien und Walnussbäume. Die Gräfin war auf ihren jardin anglais sehr stolz. Sie hat uns beigebracht, alles mit dem richtigen Namen zu bezeichnen. In Englisch, ja, in Englisch. Eine der Schlossangestellten hat mir diese Sprache beigebracht. Illana machte es Spaß, Leute in Englisch anzusprechen, als ob sie in einem englischen Landhaus leben würde, und deshalb mussten wir Englisch lernen.«
    Die alte Frau wirkte jetzt ganz heiter und gelassen. »Dieser englische Garten. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, der Duft der Rosen und des Heus - für mich war es wie ein Paradies. Ich weiß, dass die Leute sagen, ich würde in der Vergangenheit leben, aber es ist eine Vergangenheit, die es wert war, in ihr zu leben.«
    Janson erinnerte sich an die Ruinen, die er ein Stück weiter oben am Berg gesehen hatte: Von dem früher einmal riesigen Anwesen waren nur die ausgezackten Mauerreste übrig geblieben; einen halben Meter hoch ragten sie aus dem Boden, so dass man sie im hohen Gras kaum sehen konnte. Bröckelnde Ziegelfundamente einstmals grandioser Kamine schimmerten wie Baumstümpfe durch das Buschwerk. Von einem Schloss, das jahrhundertelang stolz die Gegend beherrscht hatte, waren nur Schutt und Ruinen geblieben - nicht viel mehr als ein Steingarten. Eine vergessene Welt. Einstmals war die alte Frau in einen Zaubergarten eingetreten. Jetzt lebte sie in den Schatten seiner Ruinen.
    Die Holzscheite im Kamin knackten und zischten leise, und eine Minute lang sagte niemand etwas.
    »Und was ist mit herumtappenden kleinen Füßen?«, fragte Jessie schließlich.
    »Sie hatten nur ein Kind. Peter. Möchten Sie noch einen Tropfen pälinka?«
    »Sie sind wirklich sehr freundlich, Ma'am«, sagte Jessie. »Aber lieber nicht.«
    »Peter, haben Sie gesagt«, wiederholte Janson bewusst beiläufig. »Wann ist er denn zur Welt gekommen?«
    »Sein Namenstag war der erste Samstag im Oktober 1937. Was für ein schöner kleiner Junge! So hübsch und so intelligent. Man konnte gleich erkennen, dass einmal ein bedeutender Mensch aus ihm würde.«
    »Ja, tatsächlich?«
    »Ich sehe ihn noch ganz deutlich vor mir, wie er mit seinem Peter-Pan-Kragen, seinen kleinen Knickerbockers und seiner Matrosenmütze durch die lange Spiegelhalle auf und ab marschiert ist. Er hatte großen Spaß daran, wenn sein Bild zwischen zwei gegenüberliegenden Spiegeln hin und her geworfen wurde, sich endlos vermehrt hat und immer kleiner wurde.«
    Ihr Lächeln zauberte ein Netz aus winzigen Fältchen auf ihre Wangen. »Und seine Eltern waren so stolz auf ihn. Aber das konnte man verstehen. Er war ihr einziges Kind. Es war eine schwere Geburt, und die Gräfin konnte nach ihm keine Kinder mehr bekommen.«
    Die alte Frau war jetzt an einem anderen Ort, in einer anderen Welt: Wenn es eine vergessene Welt war, dann eine, die sie nicht vergessen hatte. »Einmal, gleich nach dem Mittagessen, hat er ein paar Plätzchen gegessen, die die Köchin zum Tee gebacken hatte. Das durfte er nicht, und die Köchin hat ihn geschimpft. Nun, Gräfin Illana hat es zufällig mit angehört. >Dass Sie mir nur ja nie wieder so mit unserem Kind reden<, hat sie sie angeherrscht. Und wie sie das gesagt hat - als würden kleine Eiszapfen an jedem Wort hängen. Bettina, das war die Köchin, bekam rote Flecken auf den Wangen, aber sie hat nichts erwidert. Sie hat es verstanden. Alle haben wir das. Er war ... anders als andere kleine Jungen. Aber nicht verzogen, das müssen Sie verstehen. Sonnig wie der erste Juli, wie wir Ungarn sagen. Wenn ihm etwas Spaß machte, dann hat er so gestrahlt, dass man dachte, sein Gesicht würde in Stücke gehen. Ein gesegnetes Kind war das. Verzaubert. Er hätte alles werden können. Alles, was man sich denken kann.«
    »Peter muss seinen Eltern wirklich viel bedeutet haben«, sagte Jessie.
    Die alte

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