Der Janson-Befehl
noch schlimmer, ein türkischer Rauschgifthändler mit seiner schwer bewaffneten persönlichen Leibwache war an Bord. Die Sache lief schief, schrecklich schief, wurde zu einem wahren Katarakt von Missverständnissen, Fehlleistungen und Pech. Unerfahrene Männer auf beiden Seiten gerieten in Panik: Die Beobachter von Consular Operations konnten alles mit einem digitalen Teleskop und an den Anzügen der Froschmänner angebrachten Lauschgeräten verfolgen - aber das änderte nichts an der qualvollen Erkenntnis, dass sie viel zu weit entfernt waren, um sich ohne Gefährdung der Auszubildenden einschalten zu können.
Janson hatte das Geschehen von einer im Abstand von einer halben nautischen Meile vor Anker liegenden klei-nen Fregatte beobachtet und war über die katastrophale Entwicklung der Ereignisse entsetzt gewesen; insbesondere erinnerte er sich noch ganz deutlich an die zwanzig von Spannung erfüllten Sekunden, in denen das Schicksal sich in die eine oder andere Richtung hätte wenden können. Zwei Gruppen bewaffneter Männer waren sich gegenübergestanden, etwa gleich stark. Jeder Einzelne maximierte seine persönliche Überlebenschance, indem er zuerst das Feuer eröffnete. Aber sobald die Automatikwaffen einmal gesprochen hatten, würde die Gegenseite keine andere Wahl haben, als das Feuer zu erwidern. Es war die Art von selbstmörderischem »fairem Kampf«, der leicht zu hundert Prozent Opfern auf beiden Seiten hätte führen können. Gleichzeitig bestand nicht die geringste Chance, dass die Leibwache des Türken aufgeben würde - das wäre übler Verrat gewesen, etwas, was die eigenen Landsleute am Ende mit dem Tod gesühnt hätten.
»Nicht schießen!«, schrie ein junger Grieche. Er legte seine Waffe weg, eine Geste, die freilich nicht Angst, sondern Ekel erkennen ließ. Janson hörte seine Stimme durch sein Funkgerät, blechern, aber klar. »Idioten! Schwachköpfe! Wir arbeiten für euch!«
Dann folgte die Erklärung, eine brillant gemischte Improvisation aus Dichtung und Wahrheit, vorgetragen, ohne zu stocken. Der junge Grieche berief sich auf einen mächtigen türkischen Rauschgiftmagnaten, Orham Murat, dessen Kartell der Rauschgifthändler an Bord des Schiffes angehörte. Der Grieche erklärte, ihre vorgesetzten Offiziere hätten ihm und den anderen Soldaten den Auftrag erteilt, verdächtige Frachter zu durchsuchen; Murat habe aber mit großzügigen Geldzuweisungen dafür gesorgt, dass seine eigenen Schiffe vor der Beschlagnahme geschützt waren. »Ein äußerst großzügiger Mann«, hatte der junge Offizier gesagt und es geschafft, ernst und zugleich habgierig zu klingen. »Meine Kinder haben es ihm zu verdanken, dass sie jeden Tag ihre regelmäßigen Mahlzeiten bekommen. Könnten sie das von dem, was die Regierung uns bezahlt? Bah!«
Die anderen Griechen blieben zunächst stumm, und ihr Schweigen wurde von den Türken als Angst oder Verlegenheit gedeutet. Dann begannen sie zu nicken, als ihnen klar wurde, dass das, was ihr Kollege sagte, ihrem eigenen Schutz diente. Sie ließen die Waffen sinken, schauten zu Boden, wirkten demütig.
»Wenn du lügst. «, setzte der Anführer der türkischen Leibwache drohend an.
»Wir verlangen von Ihnen ja nur, dass Sie über Funk nichts erwähnen - unsere Vorgesetzten überwachen den gesamten Funkverkehr und kennen unsere Codes.«
»Lügen!«, brüllte ein grauhaariger Türke. Das war der Drogenhändler selbst, der schließlich auf Deck erschienen war.
»Nein, das ist die Wahrheit! Die amerikanische Regierung unterstützt unsere Vorgesetzten bei dieser Aktion. Wenn Sie über Funk etwas von uns erwähnen, können Sie uns jetzt genauso gut erschießen, weil wir dann nämlich sofort nach unserer Rückkehr exekutiert werden. Dann bitte ich Sie sogar darum, uns zu erschießen. Dann glaubt das griechische Militär wenigstens, dass wir als Helden gestorben sind, und unsere Familien bekommen eine Pension. Ob Orham Murat gegenüber Ihren Witwen und Kindern so großzügig sein wird, wenn ihm zu Ohren kommt, dass Sie eine Operation zerstört haben, für die er so viel Zeit und Geld aufgewendet hat - das müssen Sie freilich selbst entscheiden.«
Ein langes, unbehagliches Schweigen schloss sich an. Schließlich erregte sich der Händler: »Was ihr da behaup-tet, ist lächerlich! Wenn eure Vorgesetzten Zugang zu unserem Funkverkehr hätten.«
»Wenn? Wenn? Glauben Sie denn, dass es ein Zufall ist, dass man uns angewiesen hat, Ihren Frachter zu entern?«
Der Grieche
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