Der Janson-Befehl
Etwas für ihn äußerst Ungewöhnliches überkam ihn: Platzangst.
Dann begriff er: Es war neblig. Er und sein schwarzer Schirm würden sich nicht vor dem sternlosen Himmel abzeichnen. Er krümmte sich in vertikale Position, tastete nach dem Öffnungsgriff und zog daran. Ein kurzes Flattern, als der dicht verpackte Fallschirm sich in der Luft ausbreitete und die Leinen sich ganz spannten. Er spürte den vertrauten Ruck, das Gefühl, als würde ihn jemand an den Schultern und am Hosenboden packen. Und das Rauschen des Windes ließ nach.
Er warf den Öffnungsgriff weg und spähte nach oben, um sich zu vergewissern, dass der schwarze Nylonschirm sich ganz geöffnet hatte. Selbst ihm fiel es schwer, seine Konturen am Nachthimmel auszumachen, und das nur fünf Meter über ihm. Unter anderen Umständen wäre das vielleicht beunruhigend gewesen; jetzt beruhigte es ihn.
Er spürte, wie ihn ein plötzlicher Luftstrom zur Seite trieb, und an diesem Gefühl war etwas fast Körperliches, gerade als ob ihn jemand angestoßen hätte. Er würde seinen Schirm sorgfältig steuern müssen; wenn er über den Zielpunkt hinausgeriet, würde es beinahe unmöglich sein, dorthin zurückzukehren. Auch der Vor- und Nachteile von Steuerung und Geschwindigkeit war er sich voll bewusst: Seine Fallgeschwindigkeit war dann am größten, wenn die Steuerleinen nicht eingesetzt wurden.
Jetzt zeigte ihm sein GPS an, dass er erheblich vom Kurs abgekommen war.
Herrgott, nein!
Während er noch mit den Turbulenzen kämpfte, wusste er ebenso gut wie Katsaris, dass das, was vor ihnen lag, noch wesentlich schwieriger sein würde: Sie würden lautlos und unbeobachtet in einem von Mauern umschlossenen Hof landen müssen. Der geringste Fehler, der einem von ihnen beiden unterlief, würde sie in Gefahr bringen. Und selbst wenn sie es perfekt schafften, gab es doch tausend unvorhersehbare Komplikationen, die jede für sich tödlich sein konnten. Hielt sich zufällig ein Soldat im Innenhof auf - und es gab kein Gesetz, das das verbot -, würden sie tot sein. Ihr Einsatz war dann gescheitert. Und das Ziel ihres Einsatzes würde aller Wahrscheinlichkeit nach im Zusammenhang damit getötet werden. Das war die übliche Vorgehensweise ihrer Terroristenfreunde. Man reagierte auf einen Rettungseinsatz, indem man das Objekt des Einsatzes zerstörte - und zwar schleunigst.
Er zog schnell an der rechten Steuerleine. Eine schnelle Drehung war notwendig, ehe ihn eine weitere Bö völlig vom Kurs abbrachte. Die Reaktion auf das Manöver stellte sich beinahe sofort ein: Er spürte, wie er unter dem Schirm herumgeschwungen wurde. Und die große, runde Skalenscheibe des Höhenmessers sagte ihm das, was er auch spüren konnte: dass nämlich seine Sinkgeschwindigkeit soeben erheblich zugenommen hatte.
Nicht gut. Er war näher am Boden, als er das sein sollte. Dennoch musste er davon ausgehen, dass er wieder auf korrektem Kurs war, und so ließ er die Steuerleine wieder locker, ließ zu, dass die Fallschirmkappe sich zu ihren vollen fünfundzwanzig Quadratmetern aufblähte und damit ein Maximum an Vertikalverzögerung schaffte. Zwar verstand er sich meisterhaft darauf, Thermiken auszunutzen, aber die absolut unvorhersehbaren Luftströmungen machten jegliche Berechnung sinnlos. Er wusste nur, dass er aus der Windachse geraten war und schleunigst wieder zurück musste. So wie er das schon Hunderte Male gemacht hatte, zupfte und zerrte er an seinen Leinen, um die Hauptrichtung des Windes wieder zu finden; schließlich stellte er fest, dass er sich auf einem S-förmigen Kurs im Wind bewegen konnte, indem er jedes Mal gegensteuerte, wenn er aus der gewollten Richtung geriet. Der Prozess erforderte völlige Konzentration, besonders weil vom Meer in unregelmäßigen Abständen Thermiken aufstiegen, wenigstens schien es ihm so. Fast glich der Himmel über Anura einem Pferd, das sich dagegen wehrte, eingeritten zu werden.
Sein Pulsschlag beschleunigte sich. Wie die Masten eines Gespensterschiffes wurden jetzt im Nebel Zinnen und Mauervorsprünge sichtbar; der uralte weiße Kalkstein reflektierte das wenige Licht, das durch die Wolkendecke hindurchsickerte. Der Anblick kam wie ein Schock; das war das Erste, was er seit dem Absprung gesehen hatte. Er streifte schnell seine Mütze ab und ließ sie in die Tiefe fallen. Dann ging er in Gedanken noch einmal das Landemanöver durch. Die Seitenwindetappe. Die Etappe mit dem Wind. Die Basisetappe. Und der Schlussanflug.
Um die
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