Der Janson-Befehl
bringen«, sagte Theo und ließ den Lichtstrahl seiner Lampe über sie wandern, damit sie sich ein Bild von ihrem Zustand machen konnten.
Es war Donna Hedderman, die Anthropologiestudentin; Janson erkannte ihr Gesicht. Als die KLF den Steenpaleis erobert hatte, hatten sie allem Anschein nach die Amerikanerin ebenfalls in das Verlies gesteckt. Es würde leichter sein, die beiden Gefangenen an nur einem Ort zu bewachen, mussten die Guerillas überlegt haben.
Donna Hedderman war eine grobknochige Frau mit einer breiten Nase und runden Wangen. Sie war einmal kräftig gebaut gewesen und war selbst jetzt noch, nach siebzig Tagen der Gefangenschaft, nicht gerade schlank. Wie das alle einigermaßen ernst zu nehmenden Terroristengruppen taten, sorgte auch die KLF dafür, dass ihre Gefangenen reichlich zu essen bekamen. Dahinter steckte brutales Kalkül. Ein vom Hunger geschwächter Gefangener konnte krank werden und sterben. Und an Krankheit sterben bedeutete, dem Zugriff der KLF zu entkommen. Einen Gefangenen, der an einer Krankheit starb, konnte man nicht hinrichten.
Dennoch hatte Donna Hedderman die Hölle hinter sich: Ihre Haut hatte die krankhafte Farbe eines Fischbauchs angenommen, ihr Haar war wirr und verklebt, und ihre Augen blickten starr und glasig. Janson hatte in den Zeitungsartikeln über ihre Entführung Fotos von ihr gesehen. In den Bildern aus glücklicheren Tagen war sie rundlich, strahlte, strotzte vor Gesundheit. Das Adjektiv »lebhaft« tauchte häufig auf. Aber die langen Wochen der Gefangenschaft hatten das alles zunichte gemacht. In einem Kommunikee der KLF war sie als amerikanische Spionin bezeichnet worden; dabei galten ihre politischen Sympathien, wenn sie überhaupt solche hatte, eher der Linken, und das hätte einen solchen Einsatz mit Sicherheit ausgeschlossen. Sie hatte Sympathien für die schlimme Lage der Kagama an den Tag gelegt, aber die KLF verschmähte Sympathien und klassifizierte sie als nicht revolutionäre Empfindung. Sympathie war etwas, was die Angst beeinträchtigte, und Angst war es, was der Kalif mehr als alles andere anstrebte.
Endlich brachte die Frau etwas über ihre ausgetrockneten Lippen. »Für wen arbeiten Sie?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Wir arbeiten für Mr. Novak«, sagte Janson und sah ihn von der Seite an.
Nach kurzem Zögern nickte Novak. »Ja«, sagte er. »Sie sind unsere Freunde.«
Donna Hedderman richtete sich auf und tappte zu der offenen Zellentür. Ihre Knöchel waren angeschwollen, sie ging unsicher.
Janson beriet sich leise mit Katsaris. »Es gibt einen anderen Weg, und der scheint mir im Augenblick günstiger. Jeder von uns hat ein wenig Semtex dabei. Das werden wir brauchen.«
Ein kleiner Brocken Semtex und ein Zünder gehörte zu ihrer Standardausrüstung für Einsätze in unsicherer Umgebung.
Katsaris musterte ihn prüfend und nickte dann. Jansons Tonfall, die Klarheit seiner Anweisungen schienen ihn zu beruhigen. Janson hatte nicht durchgedreht. Oder wenn doch, dann nur kurzzeitig. Janson war noch Janson.
»Kerosinlaternen.«
Janson deutete darauf. »Bevor man das hier alles elektrifiziert hat, dienten sie als Hauptbeleuchtungsquelle. Als das noch der Palast des Generalgouverneurs war, gab es sicherlich im Keller einen Kerosintank, einen Tank, der von außen gefüllt wurde. Er war mit Sicherheit darauf aus, immer reichliche Kerosinvorräte zu haben.«
»Die könnten den Tank herausgerissen haben«, gab Katsaris zu bedenken, »oder er wurde mit Beton ausgegossen.«
»Kann sein. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie ihn einfach still vor sich hinrosten ließen. Die hatten ja genügend Platz.«
»Das stimmt allerdings. Wie sollen wir den Tank finden?«
»Auf dem Plan ist der Tank etwa zweihundert Meter von der Nordwestumfriedung aus eingezeichnet. Mir war zuerst nicht klar, was das zu bedeuten hat, aber jetzt scheint es mir offenkundig.«
»Das ist ein gutes Stück entfernt«, meinte Katsaris. »Wird die Frau das schaffen?«
Donna Hedderman hielt sich an den Eisenstangen fest, um auf den Beinen zu bleiben; ihre Muskeln waren offenbar von der langen Gefangenschaft und dem erzwungenen Bewegungsmangel geschwächt, und ihre noch immer beträchtliche Leibesfülle war eine nicht unerhebliche Belastung.
Novak sah sie an und wandte sich dann verlegen ab. Janson war mit den Beziehungen vertraut, die sich zwischen zwei zutiefst verängstigten Gefangenen entwikkelten, die einander nicht sehen, aber im Flüsterton oder vielleicht durch
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