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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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wurden dann fordernd. Er räusperte sich, feuchtete seine aufgesprungenen Lippen an und holte tief Luft. »Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.«
    Sein Englisch wirkte präzise, fast affektiert. Da war nur der Hauch eines ungarischen Akzents. Wieder ein gequälter Atemzug. »Berührt Sie das nicht?«
    Janson erkannte, dass der Gefangene allmählich zu sich zurückfand, seine Fassung wiedergewann. Seine durchdringenden, dunklen Augen erinnerten Janson daran, dass Novak kein gewöhnlicher Mensch war. Er war ein geborener Aristokrat, war es gewöhnt, der Welt Befehle zu erteilen. Dafür besaß er ein Talent, ein Talent, das er immer wieder in außergewöhnlicher Weise für gute Zwecke eingesetzt hatte.
    Janson musterte Novak, sah den entschlossenen Blick. »Und wenn wir das nicht können.«
    »Dann werden Sie auch mich hier lassen müssen.«
    Die Worte kamen stockend, ließen aber keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit.
    Janson starrte ihn ungläubig an.
    In Novaks Gesicht zuckte es, und dann fuhr er fort: »Ich bezweifle, dass Ihre Rettungspläne Vorkehrungen für eine Geisel enthalten, die sich nicht retten lassen will.«
    Es war klar zu erkennen, dass sein Verstand immer noch messerscharf arbeitete. Er hatte seine taktische Karte sofort ausgespielt und Janson damit klar gemacht, dass es keine weitere Diskussion geben konnte.
    Janson und Katsaris wechselten Blicke. »Theo«, sagte Janson leise. »Hol sie.«
    Katsaris nickte widerstrebend. Dann erstarrten beide.
    Ein Geräusch.
    Das Scharren von Stahl auf Stein.
    Ein vertrautes Geräusch; das Stahlgitter, das sie geöffnet hatten, um hier einzudringen.
    Janson erinnerte sich an den hoffnungsvoll klingenden Ruf des Soldaten: Theyilai.
    Der erwartete Bote, der den Soldaten ihren Tee brachte.
    Janson und Theo eilten in den angrenzenden Raum mit den vielen Leichen und dem Blut, hörten eine Schlüsselkette klappern und sahen, wie ein Tablett - beladen mit einem Teekessel aus gehämmertem Metall und mehreren Stapeln kleiner Tontassen - sichtbar wurde.
    Er sah die Hände, die das Tablett trugen - erstaunlich kleine Hände. Und dann den Mann, der gar kein Mann war.
    Es war ein Junge. Wenn Janson hätte raten müssen, dann hätte er gesagt, dass der Junge acht Jahre alt war. Große Augen, kaffeebraune Haut, kurzes schwarzes Haar. Er trug kein Hemd, nur blaue Shorts aus Madrasstoff. Seine Schuhe wirkten zu groß für seine dünnen Waden und ließen ihn noch kleiner erscheinen. Die Augen des Jungen waren auf die nächste Stufe gerichtet: Man hatte ihm eine wichtige, verantwortungsvolle Aufgabe zugewiesen, und er würde sich mit großer Vorsicht bewegen. Nichts würde vom Tablett fallen. Keinen Tropfen Tee würde er verschütten.
    Er hatte zwei Drittel der Treppe hinter sich gebracht, als er plötzlich stehen blieb. Wahrscheinlich hatte der Geruch ihn gewarnt, ihm angedeutet, dass hier etwas nicht ganz in Ordnung war - entweder der Geruch oder die Stille.
    Jetzt drehte der Junge sich um und sah das Gemetzel -die toten Wachen in Pfützen aus gerinnendem Blut - und Janson konnte hören, wie er aufstöhnte. Er ließ unwillkürlich das Tablett fallen. Das wertvolle Tablett. Das runde Tablett und den Tee, für den die Wachen so dankbar gewesen wären. Es rollte wie ein Reifen die Treppenstufen hinunter, die Tassen zerschellten auf den Stufen unter ihm, und der Teekessel verspritzte seinen dampfenden Inhalt auf die Füße des Jungen. Janson sah das alles wie in Zeitlupe ablaufen.
    Alles würde herunterfallen. Alles würde vergossen werden. Einschließlich Blut.
    Janson wusste genau, was er tun musste. Wenn er nichts unternahm, würde der Junge jetzt fliehen und die anderen alarmieren. Was getan werden musste, war bedauerlich, aber es konnte darüber keine Diskussion geben. Es gab keine andere Wahl. In einer einzigen fließenden Bewegung richtete er die schallgedämpfte HK auf den Jungen.
    Einen Jungen, der seinen Blick aus großen, verängstigten Augen erwiderte.
    Ein Achtjähriger, mit zitterndem Kinn. Ein unschuldiges Kind, das keine Wahl in seinen Entscheidungen hatte. Kein Kombattant. Kein Verschwörer. Kein Rebell. Nicht verantwortlich.
    Ein Junge. Bewaffnet mit - ja, was? - einem heißen Kessel Pfefferminztee?
    Egal, In den Einsatzhandbüchern gab es eine Bezeichnung für Personen wie ihn: engagierte NichtKombattanten. Janson wusste, was er zu tun hatte.
    Aber seine Hand tat es nicht. Sie weigerte sich, seinem Befehl zu folgen. Sein Finger wollte den Abzug nicht

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