Der Janson-Befehl
sein, als Bolzen oder Klemmkeile in Felsspalten zu dreschen. Katsaris wickelte mit geschickter Hand zwei Seilschlingen um den höheren der beiden Felszacken, verknotete das Seil darunter und sicherte es mit einem zusätzlichen Über-handknoten. Wenn ein Seilstrang zerrissen wurde - von der Reibung an einer scharfen Felskante oder einer zufälligen Kugel -, würde der zweite Strang halten. Janson hatte beschichtetes 8,5mm-Nylonseil mitgenommen, das elastisch war, um die Bremswirkung bei einem Fall im Griff zu haben. Es war nicht dick, aber für das, was sie vorhatten, kräftig genug.
Während Katsaris noch damit beschäftigt war, das Seil zu befestigen, legte Janson Novak schnell und mit geschickter Hand einen Klettergurt aus Nylon an und vergewisserte sich anschließend, dass Bein- und Hüftgurte gesichert waren. Dies würde kein kontrolliertes Abseilen sein; die eigentliche Arbeit musste das Material, nicht der Mensch übernehmen. Und das Material war nicht hochtechnisch; sie hatten sich mit Dingen begnügen müssen, die leicht zu tragen waren. Als Abseilbremse diente ein Stück aus poliertem Stahl, nicht viel größer als seine Hand, beiderseits mit einem Ring versehen, von denen einer etwas größer, der andere etwas kleiner war. Das Ganze kam ohne bewegliche Teile aus und wurde von Bergsteigern als »Abseilachter« bezeichnet.
Katsaris schob eine Schleife des Seils durch den großen Ring und schlang ihn um den Bügel, der die beiden Ringe verband. Anschließend hakte er den kleinen Ring mit Hilfe eines Karabiners an Peter Novaks Klettergurt fest. Eine sehr rudimentäre Vorrichtung, die aber genügend Reibung lieferte, um die Bremswirkung sicher unter Kontrolle halten zu können.
Von einem Eckturm über der Palastmauer schickte ein Posten einen langen Feuerstoß zu ihnen herüber.
Sie waren entdeckt worden.
»Herrgott, Janson, wir haben keine Zeit mehr!«, schrie Katsaris.
Aber sie konnten sich Zeit verschaffen - eine Minute vielleicht, möglicherweise auch weniger.
Janson hakte eine Blitzgranate von seiner Kampfweste und warf sie in Richtung auf den Wachturm. Sie flog im weiten Bogen durch die Luft in das Wachhäuschen.
Unmittelbar darauf warf er das Seil über die Klippe. Je schneller Novak folgte, umso sicherer würde er sein: Seine einzige Chance lag darin, sich in einem Zug abzuseilen.
Unglücklicherweise war der Kagama auf dem Wachturm ebenso geschickt wie geistesgegenwärtig: Er hob die Granate auf und warf sie Sekunden vor der Explosion zurück. Die Granate explodierte im Flug, und der Lichtblitz beleuchtete die vier Menschen am Klippenrand, wie es ein Scheinwerfer von einem Wachturm nicht besser hätte tun können.
»Was jetzt?«, fragte Novak. »Ich bin kein Bergsteiger.«
»Springen«, drängte ihn Katsaris. »Jetzt!«
»Sie sind verrückt!«, schrie Novak, von dem schwarzen Abgrund entsetzt, der sich unter ihm dehnte.
Katsaris packte ihn mit beiden Armen und schob ihn über den Klippenrand, sorgfältig darauf bedacht, nicht selbst den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Es war schlimm. Aber es war die einzige Möglichkeit. Selbst für die elementarste Unterweisung fehlte die Zeit, davon ganz abgesehen, dass Novak ihr unmöglich hätte folgen können: Ein gesicherter Sturz war seine einzige Chance. Und der Felsüberhang ragte so weit vor, dass keine Gefahr bestand, dass er im Fallen mit der Felswand in Berührung kam.
Janson hörte, wie das Seil kontrolliert durch die Achterbremse glitt, das bestätigte ihm, dass es Novak mit gleichmäßiger Fallgeschwindigkeit zu den von der Brandung umspülten Felsen in der Tiefe tragen würde. Die weit nach draußen ragende Klippe war jetzt der beste Schutz für Novak, weil sie ihn vor den Scharfschützen in dem Wachturm abschirmte. Die Kugeln würden an ihm vorbeizischen, konnten ihn nicht treffen. Novak brauchte nichts zu tun. Die Schwerkraft würde alles für ihn erledigen.
Und den Rest würde das B-Team, das am Klippensockel im Boot wartete, besorgen.
Der Klippenüberhang hatte die Festung über die Jahrhunderte hinweg vor Angriffen vom Meer her geschützt, ebenso wie die Felsen und Untiefen Kriegsschiffe davon abgehalten hatten, zu nahe heranzukommen. Der Standort der Festung war gut ausgewählt. Und doch würden eben diese Besonderheiten jetzt auch den Eindringlingen zugute kommen.
Peter Novak war beinahe zu Hause.
Für die anderen würde es nicht ganz so einfach sein.
Janson und Katsaris konnten sich ohne Mühe die Klippe hinab abseilen.
Weitere Kostenlose Bücher