Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
drücken.
    Janson stand stocksteif da, erstarrt, wie er das noch nie im Leben gewesen war, selbst nicht in noch so turbulenten Situationen. Sein Ekel gegenüber dem »Standardtaktikprotokoll« wurde absolut und jetzt lähmend.
    Der Junge wandte sich von ihm ab und hastete die Treppe hinauf, nahm mit jedem Schritt zwei Stufen -zurück, die Treppe hinauf, zurück in die Sicherheit.
    Und doch war seine Sicherheit ihr Verderben! Selbstvorwürfe überfluteten Janson wie Lava: Seine zwei Sekunden der Sentimentalität hatten ihren Einsatz in fataler Weise zum Scheitern verurteilt.
    Der Junge würde Alarm schlagen. Wenn er ihn leben ließ, hatte Janson für Peter Novak das Todesurteil unterzeichnet. Und für Theo Katsaris. Und für sich selbst. Und höchstwahrscheinlich auch für die anderen Teilnehmer des Einsatzes.
    Er hatte einen nicht hinnehmbaren, unverzeihlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Fehler gemacht. Er war jetzt praktisch ein Mörder, hatte mehr gemordet als nur dies eine Kind. Sein entsetzter Blick huschte von Novak zu Katsaris. Ein Mann, den er mehr bewunderte als irgendeinen Menschen, den er bisher gekannt hatte; jemand, den er wie einen Sohn liebte. Der Einsatz war vorbei. Sabotiert von einer zufällig ins Spiel gekommenen Macht, die er nie hätte vorhersehen können: ihm selbst.
    Jetzt sah er Katsaris an sich vorbeihuschen, sah seine Fußabdrücke in dem Blut; der Grieche hatte den kürzesten Weg zur Treppe gewählt, setzte über Leichen und umgefallene Stühle hinweg. Der Junge musste nur noch eine Armlänge von der Korridortür entfernt gewesen sein, als Katsaris aus seiner schallgedämpften Pistole einen Schuss abfeuerte. Selbst nach dem Aufflammen des Mündungsfeuers blieb Katsaris in der eintrainierten Haltung des Combat-Schützen stehen: die Schusshand von der anderen gestützt, die Haltung von jemand, der sich einen Fehlschuss nicht leisten konnte. Die Haltung eines Soldaten, der auf eine Person schießt, die das Feuer nicht erwidern kann, deren weiteres Überleben aber in sich eine Bedrohung darstellte.
    Jansons Blick verschwamm kurz, konzentrierte sich gleich darauf wieder, und jetzt sah er, wie der leblose Körper des Kindes die Steintreppe hinunterpurzelte, sich dabei fast überschlug.
    Und dann blieb er auf der untersten Stufe liegen wie eine achtlos beiseite geworfene Stoffpuppe.
    Als Janson näher trat, sah er, dass der Kopf des Jungen auf dem Tablett lag, das er einmal so stolz getragen hatte. Auf seinen weichen Kinderlippen hatte sich eine Speichelblase gebildet.
    Jansons Herz schlug langsam, kraftvoll. Übelkeit erfüllte ihn, Ekel über sich selbst und das, was er beinahe hätte geschehen lassen, und zugleich über das, was hatte geschehen müssen. Über die Verschwendung, den gleichgültigen Umgang mit dem einen, was auf dieser Erde wirklich wichtig war, menschlichem Leben. Die Derek Collins' dieser Welt würden das nie verstehen. Er erinnerte sich daran, weshalb er den Dienst quittiert hatte.
    Entscheidungen wie diese mussten getroffen werden, das war ihm bewusst. Aber er hatte nicht mehr derjenige sein wollen, der sie traf.
    Katsaris sah ihn mit fragend geweiteten Augen an: Warum war sein Kommandant zur Bewegungslosigkeit erstarrt? Was war über ihn gekommen?
    Dass Katsaris' Ausdruck verblüfft, nicht etwa tadelnd war, empfand Janson als seltsam bewegend. Katsaris hätte wütend auf ihn sein müssen, so wie Janson wütend auf sich selbst war. Nur die Liebe des Jüngeren für seinen Mentor konnte seine Empörung in ungläubiges Staunen verwandelt haben.
    »Wir müssen hier raus«, sagte Janson.
    Katsaris deutete auf die Treppe, den Ausgang, den ihr Plan vorsah.
    Aber Janson hatte die Pläne entwickelt und wusste, wann sie geändert werden mussten. »Das ist jetzt zu gefährlich. Wir müssen einen anderen Weg finden.«
    Würde Katsaris noch seinem Urteil vertrauen? Ein Einsatz ohne eindeutigen Befehlshaber war der sichere Weg in die Katastrophe. Er musste ihm jetzt zeigen, dass er die Lage im Griff hatte.
    »Eines nach dem anderen. Holen wir zuerst die Amerikanerin«, sagte der Grieche.
    Zwei Minuten später hantierte Katsaris am Schloss eines weiteren Zellengitters, während Novak und Janson ihm dabei zusahen. Das Gitter öffnete sich ächzend.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe erfasste verklebtes Haar, das einmal blond gewesen war.
    »Bitte, nicht weh tun«, wimmerte die Frau und presste sich an die Wand ihrer Zelle. »Bitte, nicht weh tun!«
    »Wir werden Sie nach Hause

Weitere Kostenlose Bücher