Der Janusmann
aus.«
»Ich weiß«, sagte er. »Meine Mutter war Irin, mein Vater Spanier. Aber mein Bruder und ich schlagen unserer Mutter nach. Mein Bruder hat seinen Namen in Newton geändert. Wie dieser Wissenschaftler … oder der Vorort. Das bedeutet Villanueva nämlich – neue Stadt. Aber ich hab meinen spanischen Namen behalten. Aus Respekt vor dem alten Knaben.«
»Wo war das?«
»South Boston«, sagte er. »War damals nicht leicht, eine Mischehe zu führen.«
Wir schwiegen wieder. Noch immer nichts. Villanueva veränderte seine Haltung. Sie war sichtlich unbequem.
»Auf Sie ist Verlass, Terry«, rief ich.
»Alte Schule«, antwortete er.
Dann hörte ich einen Wagen.
Und Villanuevas Handy klingelte.
Das Auto war ungefähr noch eine Meile entfernt. Ich konnte das ferne, hohe Surren eines hochdrehenden V-6-Motors hören und den zwischen Asphalt und Wolken gefangenen Widerschein aufgeblendeter Scheinwerfer sehen. Das Klingelzeichen von Villanuevas Handy war eine irrwitzig beschleunigte Version von Bachs Tokkata und Fuge in D-Dur. Er richtete sich halbwegs kniend auf, zog das Handy aus der Tasche, drückte eine Taste, stellte die Musik ab und meldete sich. Ich hörte, wie er »Okay« sagte, dann: »Wir sind gerade dabei«, dann: »Okay« und nochmals »Okay«. Dann schaltete er sein Handy aus und legte sich wieder hin. Eine Wange ruhte auf dem Asphalt. Sein Mobiltelefon schien ihm aus der Hand geglitten zu sein.
»Das Telefon funktioniert wieder!«, rief er mir zu.
Und damit beginnt ein neuer Countdown. Ich sah kurz nach Osten. Beck würde immer wieder versuchen zu telefonieren und, wenn der Wählton wieder erklang, vermutlich losfahren, um mich zu suchen und mir mitzuteilen, die Gefahr sei vorüber. Das Auto war jetzt laut und deutlich zu vernehmen.
»Dreißig Sekunden!«, rief ich.
Die Fahrgeräusche wurden lauter. Ich duckte mich tiefer. Zehn Sekunden, acht, fünf. Der Wagen kam um die Kurve gerast, das Scheinwerferlicht huschte über meinen gekrümmten Rücken. Dann hörte ich das Quietschen der Bremsen und das Kreischen von Reifen auf dem längst wieder trockenen Asphalt, und der Wagen kam sechs bis sieben Meter vor dem Saab leicht schräg zum Stehen.
Ich hob den Kopf. Der Wagen war ein Taurus in schlichtem Blau, das im Mondschein grau aussah. Vor ihm zwei weiße Scheinwerferkegel. Hinter ihm rot aufflammende Bremsleuchten. Auf den Vordersitzen zwei Männer. Ihre Gesichter wurden vom Licht ihrer eigenen Scheinwerfer erhellt, das der Saab zurückwarf. Sie hielten einen Moment lang still, starrten nach vorn. Erkannten den Saab wieder. Dann bewegte sich der Fahrer, schob den Schalthebel nach vorn in Stellung P. Die Bremslichter erloschen. Der Motor brummte im Leerlauf weiter. Ich konnte Abgase und den nach schneller Fahrt heißen Motor riechen.
Die beiden Männer stießen wie auf Befehl gleichzeitig die Türen auf. Stiegen aus und richteten sich hinter den Türen auf. Beide hielten eine Glock in der Rechten. Warteten. Dann kamen sie hinter den Türen hervor. Gingen mit tief gehaltenen Pistolen langsam nach vorn. Die Scheinwerfer beleuchteten sie von der Taille abwärts. Ihre Oberkörper waren schwerer auszumachen. Aber ich konnte ihre Gesichter erkennen. Es waren die Leibwächter, ganz ohne Zweifel. Junge, muskulöse Männer. Sie hatten dunkle Anzüge an, die verknittert und fleckig aussahen. Heute trugen sie keine Krawatte. Ihre Oberhemden waren nicht mehr weiß, sondern grau.
Sie gingen vor Villanueva in die Hocke. Er lag in ihrem Schatten. Sie drehten sein Gesicht ins Licht. Ich wusste, dass sie ihn schon mal gesehen hatten, aber das war nur ein flüchtiger Blick gewesen, als sie vierundachtzig Stunden zuvor am Collegetor an ihm vorbeigefahren waren. Ich rechnete nicht damit, dass sie ihn wiedererkennen würden. Und das taten sie offenbar nicht. Aber man hatte sie erst vor kurzem reingelegt, und sie wollten nicht schon wieder in die Falle tappen. Sie waren sehr vorsichtig, hockten nur da und überlegten. Dann richtete sich der Mann, der mir am nächsten war, auf.
Inzwischen war ich bis auf anderthalb Meter an ihn herangekommen. In meiner Rechten hielt ich einen Felsbrocken. Er war etwas größer als ein Softball. Ich schwang den Arm in einem weiten, flachen Bogen, als wollte ich dem Kerl eine Ohrfeige geben. Hätte ich ihn verfehlt, hätte der Schwung mir den Arm abgerissen. Aber ich verfehlte ihn nicht. Der Stein traf ihn genau an der Schläfe und zertrümmerte seinen Schädel wie eine Eierschale. Er
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