Der Janusmann
überquerte die Straße, setzte sich in seinen Wagen und fuhr davon: langsam und unauffällig, ohne Licht. Ich sah ihn winken. Ich behielt ihn im Blick, bis die Schlusslichter verschwunden waren. Dann wendete ich und blieb mitten auf der Fahrbahn stehen. Kam Beck jetzt, um mich zu suchen, würde er glauben, ich hätte hier eine Verteidigungsstellung bezogen.
Aber Beck schien sich keine Gedanken über mich zu machen, denn ich wartete zehn Minuten, ohne dass er sich blicken ließ. Ich nutzte die Zeit, um meine frühere Hypothese zu überprüfen, dass jemand, der eine Pistole unter dem Reserverad versteckt, vielleicht auch Aufzeichnungen unter den Fußmatten verbirgt. Doch ich fand nichts außer Rostflecken und einer feuchten Lage Dämmplatten, die aussahen, als wären sie aus alten roten und grauen Wollsocken hergestellt. Keine Aufzeichnungen. Damit war meine Hypothese widerlegt.
Danach stieg ich aus und besichtigte die äußeren Schäden. An den Lackkratzern konnte ich nichts ändern, ebenso wenig an der Delle in der Tür, wenn ich nicht die gesamte Verkleidung abbauen und das Türblech ausbeulen wollte. Auch das Dach war etwas eingedellt. Aber dagegen ließ sich vielleicht etwas unternehmen. Ich stieg hinten ein, legte beide Hände flach an den Wagenhimmel und drückte kräftig nach oben. Dafür wurde ich mit zwei Geräuschen belohnt. Eines war das laute Knacken, mit dem das Dachblech in seine vorherige Form zurückkehrte, das andere das Knistern von Papier.
Der Saab war kein neuer Wagen, deshalb bestand der Dachhimmel nicht wie heutzutage üblich aus einem einzigen mausgrauen Formteil, sondern aus cremefarbenem Kunststoff, der durch Querrippen aus Draht in drei ziehharmonikaförmige Sektionen unterteilt wurde. Die Kanten verschwanden unter einer schwarzen Gummileiste, die um die gesamte Verkleidung herumführte. Über dem Fahrersitz war der Kunststoff leicht gewellt. Die Gummileiste schien dort etwas locker zu sein. Ich vermutete, dass der Kunststoff sich in diesem Bereich unter der Leiste herausziehen ließ. Zog man weiter daran, konnte man ihn auf gesamter Länge lockern und hatte so von der Seite her Zugang zu jeder der drei Sektionen. Anschließend brauchte man nur noch Zeit und kräftige Fingernägel, um den Kunststoff wieder unter die Gummileiste zu stopfen. Gab man sich etwas Mühe, würde die Veränderung bei einem so alten Wagen nicht auffallen.
Ich kontrollierte den Abschnitt über den Vordersitzen, drückte den Kunststoff hoch, bis ich die Dachunterseite spürte, und tastete die gesamte Wagenbreite ab. Dort war nichts. Auch im nächsten Abschnitt nicht. Aber im Abschnitt über dem Rücksitz lag Papier versteckt. Ich konnte sogar die Größe und das Gewicht ertasten. Schreibmaschinenpapier, ungefähr acht bis zehn Blätter.
Ich sah mir die Gummileiste näher an. Drückte den Kunststoff etwas nach rechts und versuchte, unter den Rand zu gelangen. Ich bekam einen Fingernagel unter den Gummi und öffnete den Spalt etwa einen Zentimeter weit. Als ich mit der anderen Hand den Wagenhimmel zur Seite zog, glitt der Kunststoff leicht aus der Gummileiste, sodass eine Lücke entstand, in die ich meinen Daumen stecken konnte.
Ich fuhr mit dem Daumen nach hinten und hatte schon über zwanzig Zentimeter geöffnet, als ich plötzlich von hinten angestrahlt wurde. Helles Licht, scharfe Schlagschatten. Ich warf einen Blick in den rechten Außenspiegel, dessen Glas gesprungen war, und sah aufgeblendete Scheinwerfer, die sich schnell näherten. Noch eine Viertelmeile entfernt, sich aber rasch nähernd. Als ich mein Fenster einen Spalt weit öffnete, hörte ich das Brummen eines V-8-Motors, der heruntergeschaltet im zweiten Gang beschleunigte. Der Cadillac, dessen Fahrer es eilig hatte. Ich steckte den Kunststoffhimmel hastig unter die Gummileiste und hoffte, dass er halten würde. Die Zeit reichte nicht aus, um sorgfältig zu arbeiten.
Der Cadillac kam herangebraust und bremste dann scharf. Die Scheinwerfer blieben eingeschaltet. Ich beobachtete im Rückspiegel, wie die Fahrertür sich öffnete und Beck ausstieg. Ich griff in meine Manteltasche und entsicherte die Beretta. Auch wenn Duffys Karriere auf dem Spiel stand, hatte ich nicht vor, mich auf eine lange Diskussion über Voicemail einzulassen. Aber Beck hielt nichts in den Händen. Keine Waffe, kein Handy. Ich stieg aus und ging ihm bis auf Höhe der hinteren Stoßstange des Saabs entgegen. So wollte ich verhindern, dass er die Beulen und Kratzer sah.
»Die
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