Der Janusmann
bremste scharf. Ich rutschte von der Motorhaube und knallte mit dem Kopf an die Beifahrertür des Saabs. Landete dann auf der Fahrbahn unter der vorderen Stoßstange des Taurus’. Villanueva stieß noch ein Stück weit zurück, bremste und stieg aus dem Wagen.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
Mein Kopf tat weh. Ich hatte ihn mir ziemlich heftig angeschlagen.
»Was ist mit dem Saab?«, fragte ich.
»Die gute Nachricht oder die schlechte?«
»Erst die gute.«
»Den Außenspiegeln fehlt nichts«, sagte er.
»Aber?«
»Tiefe Kratzer im Lack, kleine Beule in der Tür. Die stammt von Ihrem Kopf, glaube ich. Auch das Dach ist etwas eingedrückt.«
»Ich behaupte, mit einem Stück Rotwild zusammengestoßen zu sein.«
»Ich weiß nicht, ob’s hier draußen Rotwild gibt.«
»Gut, dann eben mit einem Bären. Oder einem gestrandeten Wal. Einem Meeresungeheuer. Einer Riesenqualle. Einem gewaltigen zottigen Mammut, den ein abschmelzender Gletscher freigegeben hat.«
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, wiederholte er.
»Ich werd’s überleben«, antwortete ich.
Ich richtete mich auf allen vieren auf. Kam langsam und vorsichtig auf die Beine.
»Können Sie die Leichen mitnehmen?«, fragte er. »Wir nämlich nicht.«
»Dann muss ich’s wohl tun«, sagte ich.
Wir öffneten die Heckklappe des Saabs mit einiger Mühe. Sie war leicht verzogen, weil das Dach etwas eingedrückt war. Dann hievten wir die Toten nacheinander in den Laderaum. Ich packte mein Bündel zusammen und legte es auf die beiden. Innen in der Heckklappe war eine Hutablage angebracht, die alles verdeckte, was sich im Kofferraum befand. Wir mussten die Klappe rechts und links herunterdrücken, um sie zu schließen. Dann nahmen wir unsere Mäntel von der Straße, schüttelten sie aus und zogen sie wieder an. Sie waren leicht feucht und zerdrückt und an mehreren Stellen eingerissen.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er wieder.
»Steigen Sie ein«, sagte ich.
Wir ließen die Außenspiegel in ihre vorherige Stellung zurückschnappen und stiegen in den Saab. Der Motor wollte nicht anspringen. Ich versuchte es noch einmal. Wieder nichts. Zwischen den beiden Versuchen hörte ich die Benzinpumpe surren.
»Lassen Sie die Zündung kurz eingeschaltet«, sagte Villanueva. »Das Benzin ist aus dem Motor gelaufen, als der Wagen auf dem Dach gelegen hat. Warten Sie einen Augenblick, bis es nachgepumpt ist.«
Ich wartete. Beim dritten Versuch sprang der Motor an. Also legte ich den Gang ein, wendete und fuhr zu dem anderen Taurus zurück, mit dem Villanueva gekommen war.
»Sie warten hier auf Duffy und Eliot«, sagte ich. »Danach solltet ihr schnellstens verschwinden. Wir sehen uns später.«
Er schüttelte mir die Hand.
»Alte Schule«, meinte er.
»Zehn-achtzehn«, sagte ich. 10-18 war der MP-Funkkode für Auftrag ausgeführt. Aber das wusste er offenbar nicht, denn er sah mich verständnislos an.
»Halten Sie die Ohren steif«, sagte ich.
Er schüttelte den Kopf.
»Voicemail«, sagte er.
»Was ist damit?«
»Ist ein Handy außer Betrieb, werden Anrufe im Allgemeinen an eine Mailbox weitergeleitet.«
»Der Sendemast war außer Betrieb.«
»Aber für das Mobilfunknetz hatte Beck nur sein persönliches Handy ausgeschaltet. Folglich hätten sie seine Mailbox erreicht. Auf irgendeinem zentralen Server. Sie können ihm eine Nachricht hinterlassen haben.«
»Aber zu welchem Zweck?«
Villanueva zuckte mit den Schultern. »Sie hätten ihm mitteilen können, dass sie auf der Rückfahrt waren. Vielleicht wussten sie, dass er seine Mailbox regelmäßig abhört. Sie können ihm die gesamte Geschichte erzählt haben. Aber vielleicht haben sie bloß gesagt: ›Hey, Mr. Beck, heben Sie ab, okay?‹«
Ich schwieg.
»Sie können ihre Stimmen auf dem Server hinterlassen haben«, sagte er. »Heute. Das ist der springende Punkt.«
»Okay.«
»Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich fange zu schießen an«, antwortete ich. »Schuhe, Voicemail, er ist nur noch einen Schritt davon entfernt.«
Villanueva schüttelte den Kopf.
»Das dürfen Sie nicht«, sagte er. »Duffy muss ihn festnehmen. Nur so kann sie ihren eigenen Arsch jetzt noch retten.«
»Richten Sie ihr aus, dass ich mein Bestes tun werde. Aber wenn’s um ihn oder mich geht, erledige ich ihn.«
Villanueva sagte nichts.
»Was?«, fragte ich. »Soll ich mich etwa selbst opfern?«
»Tun Sie einfach Ihr Bestes«, sagte er. »Duffy hat’s verdient.«
»Das weiß ich.«
Er stieg aus,
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