Der Janusmann
machte sich mit dem Klauenhammer an die Arbeit. Als er den Deckel aufklappte, sah ich eine Ladung AK-74 auf Holzwolle. Gewöhnliche Kalaschnikow-Sturmgewehre, ziemlich gebraucht. Langweiliges Zeug, Straßenverkaufswert vielleicht zweihundert Dollar pro Stück, je nachdem, an wen man sie verhökerte. Sie waren keine Modewaffen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Kerle in North-Face-Jacken ihre schönen mattschwarzen H&K gegen solche Dinger eintauschen würden.
Die zweite Kiste füllte sich etwas leichter an. Auch sie enthielt Holzwolle, auf der Maschinenpistolen AKSU-74 lagen, eine Nachahmung des AK-74. Zuverlässig, aber etwas klobig. Auch sie waren gebraucht, aber gut gepflegt. Nichts Aufregendes. Nicht besser als ein halbes Dutzend westlicher Modelle. Sie hatten der NATO garantiert keine schlaflosen Nächte bereitet.
Die dritte Kiste enthielt 9-mm-Makarow-Pistolen. Die meisten waren alt und verkratzt. Schlampiges Design, einfach von der alten Walther PP abgekupfert. Das sowjetische Militär hatte nie viel von Handfeuerwaffen gehalten. Pistolen waren ihm offenbar nicht viel besser als Steinschleudern erschienen.
»Lauter Schund«, sagte ich. »Dieses Zeug kann man eigentlich nur einschmelzen und daraus Bootsanker schmieden.«
Wir machten uns über den zweiten Stapel her und fanden gleich in der ersten Kiste viel interessantere Waffen: Scharfschützengewehre des Musters WAL Silent Sniper. Diese Gewehre waren geheim gewesen, bis das Pentagon 1994 eines erbeutet hatte. Sie waren schwarz, bestanden ganz aus Metall und hatten eine nur angedeutete Schulterstütze. Sie verschossen 9-mm-Spezialmunition, die besonders schwer und unterschallschnell war. Tests hatten gezeigt, dass sie auf fünfhundert Meter Entfernung alle bekannten Panzerwesten durchschlug. Ich wusste noch gut, welche Betroffenheit diese Tatsache damals ausgelöst hatte. In der Kiste lagen zwölf davon. Die nächste Kiste enthielt ebenfalls zwölf. Lauter gepflegte Qualitätswaffen, die klasse aussahen. Sie würden wirklich gut zu North-Face-Jacken passen. Vor allem die silbern abgesetzten Ausführungen.
»Sind die teuer?«, fragte Villanueva.
Ich zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Hängt davon ab, wie viel jemand dafür ausgeben will, vermute ich. Aber ein entsprechendes neues Gewehr von Vaime oder SIG würde hierzulande über fünf Mille kosten.«
»Dann enthalten diese beiden Kisten praktisch schon den Rechnungswert.«
Ich nickte. »Das sind ernst zu nehmende Waffen. Aber in South-Central L. A. nicht sehr begehrt. Deshalb kann ihr Straßenverkaufswert weit niedriger liegen.«
»Wir müssen weiter«, drängte Duffy.
Ich trat einen Schritt zur Seite, um durch die Glaswand und das kleine Fenster des rückwärtigen Büros sehen zu können.
»Bald«, sagte ich.
Villanueva öffnete die letzte Kiste des zweiten Stapels.
»Was zum Teufel ist das?«, fragte er.
Ich sah ein Bett aus Holzwolle, auf dem ein schlankes schwarzes Rohr mit einer kurzen hölzernen Schulterstütze lag. Ein Raketengeschoss steckte bereits in der Mündung. Ich musste zweimal hinsehen, bis ich mir meiner Sache sicher war.
»Ein RPG-7«, erwiderte ich. »Eine Panzerfaust. Eine Infanteriewaffe zur Panzerbekämpfung.«
»RPG heißt Rocket-propelled Grenade«, erklärte er.
»Nur im Englischen«, sagte ich. »Im Russischen bedeutet die Abkürzung Reaktiwnij Protiwotankowij Granatomet – Granatwerfer mit Raketenantrieb zur Panzerabwehr. Aber er verschießt eine Lenkwaffe, keine Granate.«
»Ähnlich wie der Langstangen-Penetrator?«, fragte Duffy.
»Gewissermaßen«, antwortete ich. »Aber dieses Geschoss ist explosiv.«
»Es jagt Panzer in die Luft?«
»So ist’s vorgesehen.«
»Wer würde Beck diese Waffe abkaufen?«
»Keine Ahnung.«
»Drogenhändler?«
»Möglicherweise. Sie wäre sehr effektiv gegen ein Haus. Oder eine gepanzerte Limousine. Hat ein großer Konkurrent sich gerade einen gepanzerten BMW gekauft, würde man eine von diesen einsetzen.«
»Oder Terroristen«, sagte sie.
Ich nickte. »Oder Waffennarren.«
»Ziemlich ernste Sache.«
»Sie sind nicht sehr treffsicher«, sagte ich. »Die Lenkwaffe ist groß und langsam. In neun von zehn Fällen bedeutet der geringste Seitenwind, dass man das Ziel verfehlt. Aber das ist kein Trost für den, der dann versehentlich getroffen wird.«
Villanueva stemmte den nächsten Kistendeckel auf.
»Noch eine«, sagte er. »Dasselbe Modell.«
»Wir müssen das ATF verständigen«, meinte Duffy. »Das FBI
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