Der Janusmann
griff mit der linken Hand in ihre Jacke und zog die nur mit Daumen und Zeigefinger gehaltene Glock heraus. Sie ließ die Waffe auf den Fußboden fallen. Ich nahm einen Arm herunter und wollte mit der Hand in meine Tasche greifen.
»Halt!«, sagte Harley. »Ihnen traue ich nicht.«
Er trat vor und drückte die Mündung der P14 genau an die Stelle meiner Unterlippe, die nach Paulies Fausthieb aufgeplatzt war. Dann griff er mit der linken Hand in meine Manteltasche und brachte die Beretta zum Vorschein. Ließ sie neben Duffys Glock auf den Fußboden fallen.
»Sie als Nächster«, sagte er zu Villanueva. Die P14 blieb, wo sie war. Ich konnte den Druck der Pistolenmündung auf meinen lockeren Zähnen spüren. Auch Villanueva ließ seine Glock auf den Fußboden fallen. Harley schob alle drei Pistolen mit dem Fuß hinter sich. Dann entfernte er sich von mir.
»Okay«, sagte er. »Jetzt stellt euch dort drüben an die Wand.«
Er machte einen Bogen um uns und blieb neben den Kisten stehen, während wir uns an der Rückwand der Lagerhalle aufreihten.
»Es gibt noch einen«, sagte Villanueva. »Aber der ist nicht hier.«
Fehler, dachte ich. Harley grinste.
»Dann rufen Sie ihn an«, sagte er. »Lassen Sie ihn herkommen.«
Villanueva schwieg. Das Ganze erschien mir wie eine Sackgasse, die in eine Falle mündete.
»Rufen Sie ihn an«, wiederholte Harley. »Sofort, sonst schieße ich.«
Keiner bewegte sich.
»Rufen Sie ihn an, sonst bekommt die Frau eine Kugel in den Oberschenkel.«
»Das Telefon hat sie«, sagte Villanueva.
»In meiner Umhängetasche«, erklärte Duffy.
»Und wo ist Ihre Tasche?«
»Draußen im Wagen.«
Gute Antwort, dachte ich.
»Wo steht der?«
»In der Nähe«, antwortete Duffy.
»Der Taurus neben dem Laden für ausgestopfte Tiere?«
Duffy nickte. Harley zögerte.
»Sie können vom Büro aus telefonieren«, sagte er. »Rufen Sie den Kerl an.«
»Ich weiß seine Nummer nicht«, meinte Duffy.
Harley starrte sie an.
»Ich hab sie im Handy gespeichert«, sagte sie. »Aber ich weiß sie nicht auswendig.«
»Wo ist Teresa Daniel?«, fragte ich.
Harley lächelte. Gefragt und beantwortet, dachte ich.
»Alles in Ordnung mit ihr?«, fragte Villanueva. »Wenn nicht, bekommt ihr’s mit mir zu tun.«
»Ihr geht’s gut«, antwortete Harley. »Ist so gut wie neu.«
»Soll ich das Telefon holen?«, fragte Duffy.
»Wir gehen alle«, sagte Harley. »Sobald ihr diese Kisten wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Ihr habt sie durcheinander gebracht. Das hättet ihr nicht tun sollen.«
Er trat neben Duffy und setzte ihr die Pistolenmündung an die Schläfe.
»Ich warte hier«, sagte er. »Und die Frau auch. Als meine persönliche Lebensversicherung.«
Villanueva warf mir einen Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern, trat vor und hob den Hammer vom Fußboden auf. Villanueva griff nach dem Deckel der ersten Kiste mit Fla-Lenkwaffen. Sah mich wieder an. Ich schüttelte nur für ihn sichtbar den Kopf. Ich hätte den Hammer liebend gern auf Harleys Kopf sausen lassen, aber mit einem Hammer war nichts gegen einen Typen auszurichten, der einer Geisel eine Pistole an den Kopf hielt. Und außerdem hatte ich eine bessere Idee. Und deren Erfolg hing davon ab, dass wir bereitwillig arbeiteten. Deshalb behielt ich den Hammer in der Hand und wartete höflich, bis Villanueva den Deckel auf die Kiste mit dem dicken Raketenrohr gelegt hatte. Ich klopfte ihn mit dem Handballen zurecht, bis die Nägel wieder in den ursprünglichen Löchern saßen. Dann hämmerte ich sie hinein, trat zurück und wartete wieder.
So verschlossen wir auch die zweite Kiste mit Grails. Hoben sie hoch und stellten sie auf die erste. Danach folgten die Kisten mit den RPG-7. Wir nagelten die Deckel zu und stellten sie genauso aufeinander, wie wir sie vorgefunden hatten. Anschließend nahmen wir uns die WAL Silent Snipers vor. Harley beobachtete uns aufmerksam. Aber er wirkte etwas entspannter. Schließlich befolgten wir seine Befehle. Villanueva schien zu wissen, worauf wir hinauswollten. Das hatte er bewundernswert schnell erfasst. Er griff nach dem Deckel der Kiste mit den Makarow-Pistolen. Legte ihn aber noch nicht gleich auf.
»Diese Dinger werden tatsächlich gekauft?«
Perfekt, dachte ich. Lockerer Gesprächston, leicht fragend. Und beruflich interessiert, wie man’s von einem echten ATF-Agenten hätte erwarten können.
»Warum denn nicht?«, fragte Harley.
»Weil sie Schund sind«, antwortete er. »Haben Sie schon
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