Der Janusmann
Kalifornien fand ich in einem achtseitigen Lebenslauf, den sie zusammengestellt hatte: eine fünfstellige Hausnummer an einer Straße im Postzustellbezirk Eureka. Vermutlich ein einsam gelegenes Haus weit außerhalb der Stadt. Ich ging in die Schreibstube und stellte mir einen ganzen Stapel Reisegutscheine aus. Dann warf ich meine Dienstwaffe, eine Beretta M9, und die Ruger mit Schalldämpfer in eine Reisetasche und fuhr zum Flughafen. Ich musste alle möglichen Papiere unterschreiben, bevor ich geladene Schusswaffen in die Kabine mitnehmen durfte. Aber ich wollte sie nicht als Gepäck aufgeben. Möglicherweise würde Quinn dasselbe Flugzeug nehmen. Entdeckte ich ihn am Flugsteig oder in der Maschine, wollte ich ihn sofort abknallen.
Aber ich bekam ihn nicht zu Gesicht. Ich bestieg das Flugzeug nach Sacramento, lief nach dem Start den Mittelgang entlang und suchte alle Gesichter ab, aber er war nicht an Bord. Also musste ich mich für den Rest des Fluges gedulden. Ich saß einfach nur da und starrte ins Leere. Die Stewardessen machten einen weiten Bogen um mich.
Am Flughafen in Sacramento nahm ich mir einen Leihwagen. Fuhr auf der I-5 nach Norden und dann auf der Route 299 nach Nordwesten, eine sich durch die Berge schlängelnde und als landschaftlich schöne Strecke ausgewiesene Straße. Doch ich besaß nur Augen für den gelben Mittelstrich vor mir. Obwohl ich durch den Flug über drei Zeitzonen drei Stunden gewonnen hatte, wurde es schon dunkel, als ich die Stadtgrenze von Eureka erreichte. Ich fand die Straße, an der Quinns Haus stand. Sie war unbefestigt und führte hoch über der US 101 in Nord-Süd-Richtung durch die Hügel. Die Fernstraße lag tief unter mir. Ich konnte Scheinwerfer sehen, die einen endlosen Strom nach Norden bildeten. Schlussleuchten, die nach Süden unterwegs waren. Irgendwo dort unten musste es eine Bahnstrecke geben. Vielleicht mit einem Bahnhof oder einem Ausbesserungswerk in der Nähe, in dem Quinns Vater sein Leben lang gearbeitet hatte.
Ich entdeckte das Haus. Fuhr daran vorbei, ohne langsamer zu werden. Es war ein ziemlich primitives ebenerdiges Blockhaus. Sein Briefkasten stand nicht auf einem Pfosten, sondern auf einem alten Butterfass. Der Vorgarten des Hauses war von Unkraut überwuchert. Ich wendete fünfhundert Meter weiter südlich und fuhr ohne Licht zweihundert Meter zurück. Parkte hinter einem aufgegebenen Schnellimbiss mit eingefallenem Dach, stieg aus und kletterte den Hügel hinauf, bis ich mich dreißig Meter über der Straße befand. Blieb in dieser Höhe und bewegte mich dreihundert Meter nach Norden, bis ich die Rückseite seines Hauses erreichte.
In der Abenddämmerung erkannte ich hinter dem Blockhaus eine schmale Veranda und davor eine mit Kies bestreute und von Autoreifen aufgewühlte Abstellfläche. Dies war offenbar die Art Haus, die man bevorzugt durch den Hintereingang betrat. Im Hausinneren brannte kein Licht. Die staubigen, von der Sonne ausgebleichten Vorhänge an den Fenstern waren halb zugezogen. Das ganze Haus wirkte leer und verlassen. Ich konnte einige Meilen weit nach beiden Richtungen sehen und stellte fest, dass kein Auto hierher unterwegs war.
Ich stieg langsam den Hügel hinunter. Umkreiste das Haus. Horchte an allen Fenstern. Aber alles blieb still. Da ich annahm, Quinn würde hinter dem Haus parken und dort den Eingang benutzen, brach ich vorn ein. Die Haustür war alt und brüchig. Ich drückte kräftig dagegen, bis der innere Türrahmen nachzugeben begann, und schlug dann mit dem Handballen oberhalb des Schlosses ans Türblatt. Holz splitterte, und die Tür flog auf. Ich trat über die Schwelle, schloss die Haustür und klemmte einen Stuhl unter den Türknauf. So würde man von außen nicht gleich erkennen, dass sie aufgebrochen war.
Drinnen war es moderig und düster und bestimmt fünf Grad kälter als draußen. Aus der Küche drang das Arbeitsgeräusch eines Kühlschranks, das mir zeigte, dass es hier Strom gab. Die uralten Tapeten an den Wänden waren verblasst und vergilbt. Das Haus bestand aus nur fünf Räumen. Es gab eine Wohnküche sowie ein Wohn- und zwei Schlafzimmer – ein kleineres und ein größeres. Das kleinere war früher vermutlich das von Quinn gewesen. Zwischen den Schlafräumen lag ein winziges Bad mit Toilette. Unter dem abgestoßenen weißen Email der Badewanne prangten Rostflecken.
Was ich suchte, entdeckte ich fast augenblicklich. Ich hob im Wohnzimmer einen Läufer hoch und fand darunter eine in den
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