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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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liegend vorwärts, griff hinter mich und schloss die Tür. Nahm je eine Persuader in die Hand, legte mich auf den Bauch und presste meine rechte Schulter gegen den Mauerfuß. Dann wartete ich, damit jemand, der eine Bewegung der Tür wahrgenommen zu haben glaubte, das Interesse wieder verlor. Dann begann ich vorwärts zu kriechen. Langsam.
    Ich kam ungefähr drei Meter weit. Dann machte ich ruckartig Halt. Auf der Straße war ein Fahrzeug zu hören. Keine Limousine. Irgendein größerer Wagen. Ich kehrte um. Richtete mich auf den Knien auf, öffnete die Tür und glitt ins Pförtnerhaus zurück. Legte die Persuader über eine Sessellehne und zog die Beretta. Von außerhalb des Gittertors kam das Blubbern eines großvolumigen V-8-Motors.
    Entscheidung . Die Leute dort draußen erwarteten, dass ein Wachmann herauskam und ihnen das Tor öffnete. Und ich wäre jede Wette eingegangen, dass diese Neuankömmlinge wussten, dass ich nicht der richtige Wachmann war. Ich würde sie erschießen müssen, ihr Fahrzeug kapern und schnellstens zum Haus rasen, bevor der NSW-Schütze richtig zielen konnte. Und dann versuchen, das entstehende Chaos auszunutzen.
    Ich trat wieder an den Hinterausgang, entsicherte die Beretta und atmete tief durch. Ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite.
    Dann fiel mir die Überwachungskamera ein. Sie würde mir genau zeigen, mit wem ich’s zu tun hatte. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt . Ich ging zu dem kleinen Bildschirm. Das Bild, grau und milchig, zeigte einen weißen Kastenwagen mit der Aufschrift Keast & Maden Catering. Kein Grund, weshalb diese Leute den Wachmann kennen sollten. Ich steckte die Beretta wieder ein. Zog hastig Mantel und Sakko aus. Riss dem toten Wachmann die Jeansjacke vom Leib und schlüpfte hinein. Sie war ziemlich eng und wies Blutspuren auf. Ich trat aus der Tür. Kehrte dem Haupthaus den Rücken zu und versuchte, fünf Zentimeter kleiner auszusehen. Ging ans Tor. Schlug genau wie Paulie den Riegel mit dem Handballen hoch und zog den Torflügel auf. Der weiße Lieferwagen fuhr an und hielt auf meiner Höhe. Der Beifahrer ließ sein Fenster herunter. Er trug einen Smoking. Auch der Mann am Steuer trug einen Smoking. Noch mehr Nichtkombattanten.
    »Wohin?«, fragte der Beifahrer.
    »Rechts ums Haus herum«, antwortete ich. »Die Küchentür liegt auf der Rückseite.«
    Das Fenster schloss sich wieder. Der Kastenwagen rollte an mir vorbei. Ich hob grüßend die Hand. Machte das Tor wieder zu, ging ins Pförtnerhaus zurück und beobachtete das Fahrzeug durchs Fenster. Es fuhr zügig bis zum Haus und bog am Ende der Zufahrt nach rechts ab. Seine Scheinwerfer glitten über den Cadillac, den Town Car und die beiden Suburbans. Ich sah seine Bremslichter aufleuchten, dann verschwand es außer Sichtweite.
    Ich wartete zwei Minuten. Versuchte durch Willenskraft zu erzwingen, dass es dunkler wurde. Dann zog ich erneut Sakko und Mantel an und nahm die Persuaders. Öffnete vorsichtig die Tür, rutschte auf den Knien hinaus, schloss sie hinter mir und ließ mich nach vorn auf den Bauch fallen. Presste meine rechte Schulter an die Mauer und begann wieder langsam zu kriechen. Mein Gesicht hielt ich vom Haus abgewandt. Der Boden war kiesig, und ich spürte, wie kleine Steine sich in Ellbogen und Knie bohrten. Aber vor allem spürte ich ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern, denn ich befand mich im Wirkungsbereich einer Waffe, die zwölf 12,7-mm-Geschosse in der Sekunde verschießen konnte.
    Ich schob mich im Schneckentempo vorwärts. Zehn Meter. Fünfzehn. Zwanzig. Musste gegen den fast übermächtigen Drang ankämpfen, aufzuspringen und loszustürmen. Mein Herz jagte. Trotz des kalten Wetters war ich in Schweiß gebadet.
    Ich kroch weiter. Schaffte es bis ungefähr zur Hälfte der Strecke. Noch ungefähr dreißig Meter lagen vor mir. Meine Ellbogen schmerzten. Ich machte eine Pause, um zu rasten. Lag einfach auf dem Boden. Versuchte, wie ein Felsen auszusehen. Riskierte einen Blick zum Haus. Dort war alles still. Dann kroch ich weiter. Das Kribbeln zwischen meinen Schulterblättern wurde stärker. Ich atmete keuchend. War kurz davor, in Panik zu geraten. Wäre am liebsten aufgesprungen und losgerannt.
    Dann hatte ich nur noch zehn bis zwölf Meter vor mir und war mir allmählich sicher, dass ich es schaffen könnte. Ich legte noch eine Pause ein, holte mehrmals tief Luft. Setzte mich wieder in Bewegung. Vor mir fiel das Gelände zum Strand hinunter ab. Ich erreichte das Wasser.

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