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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Fensterscheiben klatschen. Ich griff nach dem vor mir auf dem Tisch liegenden Colt Anaconda. Duke zog eine Pistole aus seinem Schulterhalfter und zielte damit für den Fall auf mich, dass ich an etwas anderes als Roulett dachte. Er hatte eine Steyr SPP, praktisch eine Maschinenpistole Steyr TMP in Pistolenformat. Die seltene Waffe aus Österreich sah in seiner Hand riesig und hässlich aus. Ich wandte den Blick von ihr ab und konzentrierte mich auf den Revolver. Ich drückte die Patrone in die erstbeste Kammer, klappte die Trommel ein und ließ sie frei rotieren. Das Klinkenrad surrte in der Stille.
    »Los«, sagte Beck.
    Ich ließ die Trommel nochmals rotieren, hob den Revolver und setzte die Mündung an meine Schläfe. Der Stahlring war kalt. Ich sah Beck in die Augen, hielt den Atem an und betätigte langsam den Abzug. Die Trommel drehte sich, und der Hammer wurde zurückgezogen. Die Mechanik arbeitete glatt und präzise. Ich zog den Abzug ganz durch. Der Hammer schlug nach vorn. Dabei war ein lautes Klicken zu hören. Ich spürte das Auftreffen des Hammers als leichten Schlag, der sich durchs Metall bis zu meiner Schläfe fortpflanzte. Aber sonst spürte ich nichts. Ich atmete aus, ließ den Revolver sinken und behielt ihn in meiner auf der Tischplatte ruhenden Rechten. Dann drehte ich die Hand zur Seite und nahm den Zeigefinger aus dem Abzugbügel.
    »Jetzt sind Sie dran«, sagte ich.
    »Ich wollte nur sehen, wie Sie’s machen«, sagte er.
    Im Raum herrschte Stille. Ich lächelte.
    »Wollen Sie’s noch mal sehen?«, fragte ich.
    Beck gab keine Antwort. Ich griff wieder nach dem Revolver, ließ die Trommel rotieren und wartete ab, bis sie zum Stillstand gekommen war. Hob die Mündung an meine Schläfe. Der Lauf war so lang, dass mein Ellbogen nach oben und außen gedrückt wurde. Diesmal zog ich den Abzug rasch durch. In der Stille klang das Klicken unnatürlich laut. Es war das Arbeitsgeräusch eines achthundert Dollar teuren Präzisionsmechanismus, der wie vorgesehen funktionierte. Ich ließ die Waffe sinken und drehte die Trommel zum dritten Mal. Hob den Revolver. Drückte ab. Nichts. Ich ließ rasch ein viertes Mal folgen. Nichts. Das fünfte Mal folgte noch rascher. Nichts.
    »Okay«, sagte Beck.
    »Erzählen Sie mir etwas über Orientteppiche«, bat ich.
    »Da gibt’s nicht viel zu erzählen«, sagte er. »Sie liegen auf dem Fußboden. Leute kaufen sie. Manchmal für eine Menge Geld.«
    Ich lächelte. Hob erneut den Revolver.
    »Die Chancen stehen sechs zu eins«, sagte ich. Dann ließ ich die Trommel zum sechsten Mal rotieren. Im Raum herrschte atemlose Stille. Ich setzte die Mündung an meine Schläfe. Betätigte den Abzug und spürte den leichten Schlag, mit dem der Hammer eine leere Kammer traf. Sonst nichts.
    »Genug«, sagte Beck.
    Ich ließ den Colt sinken, kippte die Trommel zur Seite und ließ die Patrone auf den Tisch fallen. Legte sie sorgfältig hin und ließ sie zu ihm zurückrollen. Er hielt sie mit dem Handballen auf und betrachtete mich eine Weile wie ein Raubtier im Zoo. Als wünschte er sich vielleicht, zwischen uns befänden sich Gitterstäbe.
    »Richard hat erzählt, dass Sie bei der Militärpolizei waren«, begann er das Gespräch wieder.
    »Dreizehn Jahre.«
    »Waren Sie gut?«
    »Besser als diese Penner, die Sie losgeschickt haben, um Ihren Jungen zu beschützen.«
    »Er spricht lobend von Ihnen.«
    »Das sollte er auch«, sagte ich. »Ich habe seinen Arsch gerettet. Unter beträchtlichem Einsatz.«
    »Wird man Sie irgendwo vermissen?«
    »Nein.«
    »Familie?«
    »Keine.«
    »Job?«
    »Dorthin kann ich nicht mehr zurück«, sagte ich. »Stimmt’s?«
    Er spielte einen Augenblick mit der Patrone, rollte sie mit dem Zeigefinger hin und her. Dann nahm er sie vom Tisch und warf sie Duke zu. Der fing sie mit einer Hand auf und ließ sie in einer Jackentasche verschwinden.
    »Duke ist der Chef meines Sicherheitsdienstes«, erklärte er. »Sie arbeiten ab sofort für ihn.«
    Ich sah erst zu Duke, dann wieder zu Beck.
    »Was ist, wenn ich nicht für ihn arbeiten will?«, fragte ich.
    »Ihnen bleibt nichts anderes übrig. In Massachusetts ist ein Cop erschossen worden, und wir haben Ihren Namen und Ihre Fingerabdrücke. Sie sind auf Probe angestellt, bis wir wissen, was für ein Mensch Sie wirklich sind. Aber ich bin sicher, dass wir zu einer für alle zufrieden stellenden Beziehung gelangen werden.«
     
    Der Unterschied zwischen einem Ehrengast und einem Angestellten auf Probe war, dass

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