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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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dachte an Teresa Daniel und Quinn und fügte hinzu: Ansonsten noch keine Fortschritte. Dann überlegte ich nochmals und tippte ein: Was Leibwächter betrifft, MP Powell speziell von mir »10-29, 10-30, 10-24, 10-36« fragen. Danach drückte ich auf jetzt senden. Ich beobachtete, wie das Gerät Ihre Nachricht ist verschickt meldete, und sah aus dem Fenster in die Dunkelheit, hoffend, dass Powells Generation noch dieselbe Sprache wie meine beherrschte. 10-29, 10-30, 10-24 und 10-36 waren vier von der Militärpolizei im Funkverkehr verwendete Codes, die für sich allein unverfänglich waren. 10-29 bedeutete: schlechter Empfang. Das war nur eine Beschwerde über ein versagendes Funkgerät. 10-30 hieß: fordere Unterstützung an, ohne den Notfall zu erklären. 10-24 meinte: verdächtige Person. Und 10-36 hieß: bitte meine Meldungen weiterleiten. Da laut Code 10-30 kein Notfall vorlag, wäre die gesamte Reihe ignoriert worden. Man hätte sie aufgezeichnet, irgendwo gespeichert und vergessen. Für Insider stellte sie jedoch eine Art Untergrundjargon dar. Zumindest hatte sie das getan, als ich noch Uniform trug. Schlechter Empfang war die Aufforderung: Diese Sache geheim und unter dem Radar halten. Bestätigt wurde das durch angeforderte Unterstützung, was aus den heißen Akten raushalten hieß. Verdächtige Person erklärte sich von selbst. Bitte meine Meldungen weiterleiten bedeutete: Haltet mich auf dem Laufenden. War Powell auf Draht, würde er kapieren, was gemeint war: Überprüfen Sie diese Kerle unauffällig, und teilen Sie mir das Ergebnis mit. Ich hoffte, dass er auf Draht war, weil er mir etwas schuldete. Und das nicht zu knapp. Er hatte mich verraten. Sicher suchte er nach Möglichkeiten, das wieder gutzumachen.
    Ich sah erneut auf den winzigen Bildschirm: You’ve Got Mail! Das war Duffy, die diesmal nur okay, beeilen Sie sich schrieb. Ich antwortete mit gebe mir Mühe, schaltete ab und verstaute das Gerät wieder in meinem Schuhabsatz. Dann inspizierte ich das Fenster.
    Es war ein Schiebefenster in zweiteiliger Standardausführung. Die untere Hälfte ließ sich vor der feststehenden oberen hochschieben. Außen war kein Fliegengitter angebracht. Die Lackierung auf der Innenseite war dünn und sauber aufgebracht. Die Außenlackierung sah klumpig und uneben aus, weil die salzhaltige Luft ständig neue Anstriche nötig machte. Der Drehgriff aus Messing war ein antikes Stück. Moderne Sicherungseinrichtungen gab es nicht. Ich drehte den Griff nach links und schob das Fenster hoch. Es stockte wegen einiger Farbklumpen, ließ sich aber trotzdem bewegen. Als ich es gut eine Handbreit geöffnet hatte, wehte kalte Meeresluft herein. Ich ging in die Hocke und suchte nach Sensoren einer Alarmanlage. Als ich keine fand, schob ich es ganz hoch und untersuchte den Rahmen. Nirgends ein Anzeichen für ein Überwachungssystem. Das war verständlich. Dieses Fenster lag fünfzehn Meter über den Felsen und dem Meer. Und das Haus selbst war wegen der hohen Mauer und der Brandung unerreichbar.
    Ich beugte mich aus dem Fenster und blickte nach unten. Sah den Platz, an dem ich gestanden hatte, als Duke die Kugel verschoss. Ich blieb etwa fünf Minuten am offenen Fenster, starrte aufs Wasser hinaus, roch die salzhaltige Luft und dachte an die Kugel. Ich hatte sechsmal abgedrückt. Das hätte eine schöne Schweinerei geben können. Mein Kopf wäre explodiert. Die Teppiche wären ruiniert gewesen, und die Eichentäfelung wäre zersplittert. Ich gähnte. Das Nachdenken und die Meeresluft machten mich müde. Ich schloss das Fenster und ging ins Bett.
     
    Ich war bereits auf, geduscht und angezogen, als ich hörte, wie Duke am nächsten Morgen, dem zwölften Tag, um 6.15 Uhr meine Zimmertür aufsperrte. Mittwoch, Elizabeth Becks Geburtstag. Ich hatte schon meinen E-Mail-Empfänger kontrolliert. Diesmal war keine Nachricht da. Aber das beunruhigte mich nicht. Ich verbrachte zehn nachdenkliche Minuten am Fenster. Das Meer war ruhig, grau und schwer. Die Flut war abgelaufen, und ich entdeckte neue Felsen. Hier und dort hatten sich Tümpel gebildet. Zwischen den Felsen sah ich Vögel: Trottellummen, deren schwarzes Frühlingsgefieder ihr graues Winterkleid zu ersetzen begann. In der Ferne zogen Kormorane und Mantelmöwen ihre Kreise. Heringsmöwen auf Futtersuche stießen tief herab.
    Ich wartete, bis Dukes Schritte verhallt waren. Dann ging ich nach unten in die Küche, wo ich dem Riesen aus dem Wachhäuschen erstmals von Angesicht zu

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